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Franz Pauli (1927-1970): Buntglasfenster in St. Stephanus in Münster (1965)

Nicht immer ist eindeutig klar, ob bei einer Glasmalerei ein Himmlisches Jerusalem tatsächlich vorliegt. Ein kritischer Fall ist die römisch-katholische Kirche St. Stephanus in der Stadt Münster. Zu architektonischen Formandeutungen zusammengefügte Glasstreifen wechseln dort mit weißen und gelblichen quadratischen Glasbrocken. Das Ergebnis ist elektronischen Schaltkreisen nicht unähnlich, was in den 1960er Jahren ein in der darstellenden Kunst beliebtes Thema war und als „besonders modern“ (Erich Stephany) galt.
Die Glassteine des Fensters sollen nach Aussage des Künstlers die zwölf Tore der heiligen Stadt darstellen. Die zwölf Tore sollen hier zugleich Symbol der zwölf Stämme Israels und der zwölf Apostel sein. Es fragt sich nur, welches Glasdetail konkret gemeint sein dürfte. Zwar versuche ich, zu noch lebenden Künstlern Kontakt zu halten, doch Pauli selbst kann ich nicht mehr befragen, sondern ich muss mich auf Literaturangaben oder eigene Deutungen verlassen.

In einer Publikation aus dem Umkreis der Kirchengemeinde wird ein Teil der Seitenverglasung links vom Altar an der Nordseite als Himmlisches Jerusalem bezeichnet. Es handelt sich um schmale weiße Streifen und unten um einige gelbe Farbsteine. Die Zahl zwölf spielt hier jedoch keine Rolle, und es fehlt in der Zuweisung eine inhaltliche Begründung.

Mutiger ist eine „Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jh. e.V.“ Dort wird behauptet, das gesamte Oberlicht des Apsisbereichs (als „Lichtband“ bezeichnet) wäre eine Darstellung des Himmlischen Jerusalem. Eine Begründung fehlt auch hier und es erinnert etwas an die Tendenz, jegliches Glasfenster im Altarbereich irgendwie als Neues Jerusalem auszugeben, weil es hier besonders hell oder heilig sei.

In der Tat jedoch ist in St. Stephanus das Himmlische Jerusalem dargestellt, aber nicht im Kirchenraum, sondern in einer vorgelagerten Kapelle, die Maria geweiht ist. Die inhaltlichen Bezüge von Maria zum Himmlischen Jerusalem sind bekannt und müssen hier nicht wiederholt werden. Ebenso bekannt ist die Tradition, eine Darstellung des Himmlischen Jerusalem an einen Ein- bzw. Ausgang der Kirche zu setzen. Letztlich überzeugt aber die Darstellung selbst: In der Mitte des Fensters dominiert ein blaues Quadrat, in dem die Sprossen ein schwarzes Kreuz ergeben. Umzogen ist das Quadrat mit kristallinen Reliefsteinen, deren Zahl zwölf beträgt. Nach unten fließende Linien deuten den Lebensfluss an und führen, was auf diesem Ausschnitt nicht zu sehen ist, bis auf den Boden der Kapelle.
In Münster handelt es sich um eine Arbeit des renommierten Glaskünstlers Franz Pauli (1927-1970) aus dem Jahr 1965. Zu dieser Zeit war der Künstler parallel mit einem weiteren Himmlischen Jerusalem beschäftigt, welches in der Abtei Brauweiler (Rheinland) eingebaut wurde, die zu den besten Arbeiten Paulis zählen. In seinem gesamten Schaffen hat der Künstler das Thema auf weit mehr als zwanzig Kirchenfenstern aufgegriffen. Lange Zeit waren die Fenster von St. Stephanus unbeachtet geblieben, erst nach der Jahrtausendwende setzte eine denkmalpflegerische und kunsthistorische Beschäftigung mit den modernen abstrakten Arbeiten ein.

Birgit Breloh: Ein Neubau der 1960er Jahre. Das katholische Pfarrzentrum St. Stephanus in Münster, in: Denkmalpflege in Westfalen-Lippe, 11, 2, 2005, S. 70-81.
Mechthild Willeke: Unterwegs in Seinem Haus, Münster 2015.
Bastian Müller: Der Glasmaler Franz Pauli (1927–1970), Hildesheim 2015.
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Teil 3, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 26).

 

tags: Franz Pauli, Münster, NRW, abstrakt, Schaltkreis
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