
Diese insgesamt lediglich 43 x 34 cm große Ikone entstand in der Stadt Romanow um das Jahr 1720. Sie wird der Kirche bzw. Bewegung der Altgläubigen zugerechnet, die diese Ikone kurz nach ihrer Gründung anfertigen ließ. Insbesondere die Beschriftung der Ikone ist für ihr Glaubensverständnis zentral. Heute befindet sich die Pretiose, wie zahlreiche andere Ikonen, in einer Privatsammlung und steht der Forschung nicht zur Verfügung.
Das Himmlische Jerusalem mit dem markanten Torturm links und der scharfen Trennung durch ein annähernd schwarzes Wolkenband rechts hat Ähnlichkeiten mit vielen russischen Ikonen des 17. Jahrhunderts, auf denen die Architektur aber ausgebreiteter ist und fast die Hälfte der Seite einnimmt.
Die Altgläubigen (auch Altorthodoxe genannt) waren eine Bewegung innerhalb der russisch-orthodoxen Tradition, die sich ab etwa 1666/67 von der russischen orthodoxen Großkirche löste. Die Altgläubigen wandten sich gegen die Reformen des Patriarchen Nikon (1605-1681), der ab 1652 Texte und Riten der russisch-orthodoxen Gottesdienste änderte, um sie griechisch-byzantinischen, südslawischen und den im Bereich der heutigen Ukraine gebräuchlichen Texten und Riten anzugleichen. Der Protest dagegen verband sich mit Vorstellungen vom bevorstehenden Weltenende, der Herrschaft des Antichristen und des Erscheinens des Himmlischen Jerusalem, dass auf ihren Ikonen natürlich nicht fehlen darf. Insgesamt zeigt sich aber, dass auf solche Darstellungen wie hier so gut wie keine Unterschiede zu Arbeiten der offiziellen „Orthodoxie“ bestehen. Ihre Werke sind jedoch meist wesentlich kleiner, um sie leicht zu verstecken oder zu transportieren.
Claus Bernet: Ikonen des Weltgerichts, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 37).