Eine Ikone ist in malerischer und motivischer Hinsicht eine Besonderheit. Sie soll in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im heute ukrainischen Distrikt Trushevychi direkt an der polnischen Grenze entstanden sein. Später kam das Objekt aus einer russisch-orthodoxen Kirche in das Nationalmuseum Lwiw (Lemberg).
Das Himmlische Jerusalem wird darauf vermutlich an zwei Positionen thematisiert. Traditionell ist auf Weltgerichtsikonen die obere linke Ecke der heiligen Stadt vorbehalten. Auf dieser Ikone findet man an der linken Seite ein Band mit einem Motiv, dass mehrfach wiederholt wird: In einem Rundbogen, der hier die Hölle oder das Fegefeuer darstellt, ringt ein Mensch mit einem Dämon. Unterstützt wird der Mensch von der Engelsfigur vor dem Rundbogen. Zweiundzwanzig solche Rundbögen sind hier übereinandergesetzt, in denen die Menschen wie in einem Fahrstuhl nach oben gelangen. Das Motiv ist alt, man findet es auch auf anderen Ikonen des Weltgerichts. Hier aber ist das Ende der Reise in einer ungewöhnlichen, sonst nicht vorzufindenden Art dargestellt: am oberen Abschluss findet sich nicht eine, sondern zwei identische Himmelspforten, die offen zu stehen scheinen. Hinter den parallelen Pforten findet sich nicht, wie üblich, eine Darstellung von Arkaden oder das ewige Abendmahl, sondern der blaue Planet, obwohl nach der Johannesoffenbarung die alte durch eine neue Schöpfung ersetzt werden soll.
Direkt unter dem ausgerollten Himmel finden wir eine Darstellung Gottes in einem Tondo. Zu beiden Seiten dieses Kreises halten Engel die zwei Flügel, die wie bei einer Taschenuhr die gleiche Größe wie das Tondo haben. Sie haben einen breiten roten Rahmen, sind aber ansonsten nicht weiter ausgestaltet. Auch andere merkwürdige Details und vor allem eine für das 15. Jahrhundert ungewöhnliche Formsprache lassen Zweifel aufkommen ob der korrekten Datierung dieser Ikone. Ohne eine genauere chemische Prüfung könnte sie genauso gut im 20. Jahrhundert entstanden sein, als zahlreiche gefälschte Ikonen aus angeblich aufgelassenen Klöstern und Kirchen den Kunstmarkt überschwemmten.
Wojciech Kurpik: Ikona Sadu Ostatecznego z Muzeum Ziemi Przemyskiej, in: Rocznik Przemyski, 11, 1967, S. 229-241.
Марта ФЕДАК: АСТРОНОМІЧНІ МОТИВИ В УКРАЇНСЬКОМУ ІКОНОПИСІ, in: Українське небо. Студії над історією астрономії в Україні, Підстригача 2014, S. 211-225.