Prachtgewand von Anne Löhr (1995)

Das Prachtgewand der Künstlerin Anne Löhr ist ein römisch-katholisches Messgewand, eine Batik und Seidenmalerei. Gestaltet ist bei diesem Gewand nur das Skapulier, ein Überwurf, wie ihn die Mönche über die Tunika trugen. Motivisch beginnt das Ganze auf der Vorderseite unten, wo das irdische Jerusalem gemalt ist, wie der Felsendom, bekannte und unbekannte Bauwerke. Auf der Brusthöhe ist das Wappen der Abtei Königsmünster in Meschede angedeutet, das Lamm aus der Offenbarung auf einem Berg und darunter ein Hirschgeweih. Das Lamm ist nicht nur gezeichnet, sondern die Wolle des Lammes ist durch applizierte Goldfäden in Spiralenform dargestellt. Von diesem Lamm geht dann das Wasser des Lebens aus, das sich über die Schultern nach hinten entfaltet und auf der Rückseite des Gewandes die Schöpfung befruchtet.

Auf der Vorderseite sind mittig drei Rundbögen offene gesetzt, die seitlich von Türmen gerahmt sind; darunter finden sich Kirchen und übrigens auch zwei Moscheen, wie auch auf Kunstwerken in Achensee und in Lowick. Der Lebensfluss ist hier nicht zu sehen, was mit der Sichtweise der Künstlerin zusammen hängt: Bauwerke aus Stein können nur dann mit Leben gefüllt werden, wenn diejenigen, die sie erbaut haben, sie damit auch füllen (Aussage der Künstlerin über ihr Werk).
Das Gewand wurde von Anne Löhr im Jahr 1995 gestaltet. Sie war damals schwer erkrankt und bekam gleichzeitig eine Chemotherapie und Bestrahlung, und zwar ambulant, so dass sie nachmittags in ihrem Atelier sein konnte und dieses bemerkenswerte Gewand fertigte. Es ist der Schrei nach Leben und ein für sie wichtiger Gegenpol zum Tumor gewesen. Sie hat das Gewand extra für Pater Tobias Titulaer aus Nordhausen angefertigt, der sie durch ihre Tumorerkrankung bis zum Tod 1996 begleitet hat. Sie hat dieses auch extra auf der Rückseite des Gewandes vermerkt, wo sich viele Tiere und Pflanzen an den Wassern des Lebens laben. Dort findet man auch den Namen Tobias. In Meschede wurde das Gewand noch bei besonderen Messfeiern, etwa an Ostern, oder bei Trauerfeiern bis Anfang der 2000er Jahre getragen.

 

Beitragsbild: T. Titulaer

tags: Harz, Thüringen, Messgewand, Batik, Mosche, Lebensfluss
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