1. Interpretation der Apokalypse aus Moskau (um 1550)

Die vorliegende Farbillustration gehört zur Sammlung Egorova in der Russischen Staatsbibliothek in Moskau. Sie hat dort die Signatur 1844. Inhaltlich ist es ein antiker Apokalypsekommentar des Heiligen Andreas von Caesarea (563-637), dem Erzbischof von Caesarea in Kappadokien. Entstanden ist diese Handschrift um die Jahre 1550/60 im Moskauer russisch-orthodoxen Chudov-Kloster. Neben dem Simonov-Kloster und dem Dreifaltigkeitskloster von Sergijew Possad war das Chudov-Kloster das größte Zentrum der Moskauer Buchkunst. Der nähere Entstehungshintergrund dieser Apokalypsehandschrift ist allerdings ebenso wenig bekannt wie die daran beteiligten Illustratoren, die zurückhaltend kolorierte Zeichnungen in ausschließlich roten und grünen Tönen lieferten, welche sich leicht einer Hand oder Malerschule zuweisen lassen.
Fol. 85 zeigt Maria, wie sie in Analogie zu Christus (daher zwölf Personen) mit weiteren Heiligen und Geretteten das ewige Abendmahl feiert. Dazu haben sie sich an langen Bänken versammelt, auf denen Weingläser und Brote stehen. Die Personen befinden sich in den schützenden Stadtmauern von Jerusalem, die von mindestens vier Engeln in der Schwebe gehalten wird. Die Mauern im Zackenstil verlaufen polygonal, so dass eine lebendige Binnenstruktur von tiefen Vor- und Rücksprüngen entsteht. Die rotfarbenen, eher niedrigen Mauern sind an der Außenseite geschmückt, mittels Bändern, Girlanden und Kreisen, die mglw. für die Perlen oder/und Edelsteine stehen. Links erscheint eine staunend wirkende Figur, die Blick hält mit dem roten Engel über der Stadt. Es handelt sich um Johannes auf Patmos, der auf der griechischen Insel die Vision des Himmlischen Jerusalem erlebte und später niederschrieb.

Чинякова Галина: Древняя Русь и Запад. Русский лицевой Апокалипсис XVI-XVII веков. Миниатюра, гравюра, икона, стенопись, Москва́ 2017.

 

tags: Staatliche Nationalbibliothek Moskau, Apokalypsekommentar, Russland, Kloster, ewiges Abendmahl, Stadtmauer
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