Die Kirche der oberhessischen Kleinstadt Zierenberg nordwestlich von Kassel ist umfassend mit Kalkseccomalereien aus dem 14. und 15. Jh. versehen, die vermutlich im frühen 17. Jh. im Zuge des Bildersturms unter Landgraf Moritz dem Gelehrten, der vom Luthertum zu den Reformierten wechselte, übertüncht wurden. Im Jahr 1934 wurden sie wieder freigelegt, danach von 1958 bis 1961, dann wieder von 1997 bis 2006 und zuletzt (?) 2014 restauriert. Drei Mal ist auf diesen Malereien das Weltgericht dargestellt, was ich so aus keiner anderen Freskomalerei einer Kirche kenne – ein einziges Mal ist jedoch auf diesen drei Weltgerichten das Himmlische Jerusalem eingefügt worden.
Im Langhaus ist an der südlichen Seite auf Höhe der Empore ein traditionelles Weltgericht dargestellt. Diese Malerei kann auf etwa 1488 datiert werden. An der linken Seite hat sich das Himmlische Jerusalem in den Zwickel einer Gewölberippe gezwängt, selbstverständlich mit Petrus auf einem vorgelagerten Sockel, seinem Himmelsschlüssel und einer kleinen Schar Geretteter, die sich hinter eine übergroße Marienfigur gestellt hat. Die Architektur in einheitlichem Grau ähnelt heute einer Burg, war aber einst einer Kirche nachgebildet, deren Turm sich nicht erhalten hat, sondern als farbloser Zwiebelturm frei rekonstruiert wurde. Auch die heutige Farbgebung in einem einheitlichen Rot oder Grau entspricht auf keinen Fall dem historischen Bestand, ist aber eine gute Lösung, den zeichnerischen Charakter der Motive erlebbar zu machen. Während der Gottesdienste war es vor allem dieses Weltgericht, welches der Gemeinde mahnend, tröstend oder furchteinflössend vor Augen stand, während der Priester während des Gottesdienstes ein anderes, eigenes Weltgericht im Chorbereich vor sich hatte.
Vera Leuschner: Die Zierenberger Stadtkirche und ihre mittelalterlichen Wandmalereien, Stuttgart 2011.
Schlicht und ergreifend: die sanierte Kirche in Zierenberg-Oelshausen, in: KulturMagazin, 20, 197, 2014, S. 35