Diese kolorierte Reliefdarstellung der „Tota Pulchra“ stammt aus der spanischen Kolonialzeit Mexikos und ist also in Neuspanien entstanden. Die genauen Hintergründe, also welche Künstler oder welche Werkstatt bzw. Malerschule daran beteiligt waren, fehlen ebenso wie Auftraggeber oder der Ort, an dem dieses Kunstwerk Jahrhunderte gestanden haben muss. Erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist es Bestandteil der öffentlichen Sammlungen der Universität von Puebla in Mexiko. Neben anderen üblichen Symbolen Mariens nach der Lauretanischen Litanei, wie dem Brunnen, dem Turm Davids oder der Himmelstreppe, findet man hier auch eine kleine Himmelspforte, nämlich an der Stelle, wo sich die erhobene rechte Hand Mariens befindet. Die vollprofilierte Hand wächst aus der Frauenfigur heraus, was deutlich auf einen barocken Einfluss verweist. Sie verdeckt allerdings teilweise die Pforte, so dass schwer zu entscheiden ist, ob diese offen oder geschlossen ist. Erschwerend hinzu kommt, dass das Relief in einer grünlichgelben Pastelltönung überzogen ist, was die Konturen kaum hervortreten lässt. Als Drittes kommt hinzu, dass bei dieser Maria Immaculata bei den Symbolen auf die meist lateinischen Schriftbänder verzichtet wurde und wir nicht wissen, ob wir es mit einer „Porta Coeli“ oder einer „Porta Clausa“ zu tun haben. Die Position der klassizistisch gehaltenen Pforte im oberen Bereich gegenüber der Himmelspforte ist inhaltlich nachvollziehbar und findet sich auch bei neuspanischen Ölmalereien des Themas, etwa von Francisco Martínez (um 1611), von Francisco Pacheco (um 1620) oder in der Kathedrale Immaculada Concepción von Texcoco de Mora (um 1630). Was hier jedoch fehlt, ist die Civitas Dei im unteren Bereich, wo der Künstler es vorgezogen hat, opulente Wolkenformationen ins Bild zu bringen.
Claus Bernet: Maria Immaculata. Das katholische Jerusalem, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 14).