Guido Nincheri (1885-1973): Maria Immaculata der Kathedrale Notre Dame in Ottawa (1961)
Dieses Detail ist Teil einer Darstellung der Lauretanischen Litanei aus dem Jahr 1961, also zu einer Zeit, in der dieses Motiv aus dem späten Mittelalter nur noch selten bei Glasmalereien thematisiert wurde, vor allem in Regionen außerhalb Europas. Es handelt sich hierbei um mehrere Reihen von Fensterbahnen, die Motive der Maria Immaculata zeigen, ohne allerdings die Heilige Maria selbst darzustellen. Die Symbole befinden sich jeweils in einem Vierpass. Außen ranken Weinreben, innen Rosen. Im Zentrum befindet sich ein um 45 Grad gedrehtes Quadrat. Auf blauen Grund ist eine weiße Pforte gesetzt, ein einfacher Bau, an dessen Tor sich seitlich Mauerzüge angrenzen. Ein Einfall des Künstlers sind vier Pfeile mit der Spitze nach innen, die die Aufmerksamkeit auf das Objekt richten.
Der Ausschnitt gehört zu einem Glasfenster in der römisch-katholischen Kathedrale Notre Dame in Ottawa. Dort tauschte 1961 Guido Nincheri (1885-1973) aus Montreal ältere Glasmalereien gegen die Mariensymbole aus.
Norman Pagé: La cathédrale Notre-Dame d’Ottawa, Ottawa 1988.
Mélanie Grondin: The art and passion of Guido Nincheri, Montreal 2018.
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Teil 3, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 26).
Zum Künstler:
Guido Nincheri wurde im Jahr 1885 in Prato (Italien) geboren. Nach seiner schulischen Ausbildung studierte er Kunst in Florenz, wo er sich besonders für Tizian und Raffael interessierte. Er wanderte 1913 nach einem kurzen Aufenthalt in Boston nach Montreal aus. Dort arbeitete er für Henri Perdriau und schmückte Kirchen zunächst in Quebec, bald in ganz Nordamerika. Nincheri fertigte schätzungsweise fünftausend Buntglasfenster in etwa zweihundert verschiedenen Kirchen, hauptsächlich der römisch-katholischen Konfession. Allein schon deswegen ist zu vermuten, dass es noch weitere Darstellungen des Neuen Jerusalem von diesem Künstler geben sollte. 1972 wurde Nincheri von der italienischen Regierung zum Ritter geschlagen, Papst Pius XI. nannte Nincheri sogar „den größten Künstler der Kirche für religiöse Themen“. Als seine Hauptwerke gelten die Glasmalereien der Kirche Saint-Viateur d’Outremont, St. John the Evangelist in Prescott (Ontario) und Saint-Léon de Westmount. In den USA sind viele seiner Werke in den französisch-amerikanischen katholischen Kirchen der Diözese Providence in Rhode Island konzentriert (Providence ernannte den Künstler auch zum Ehrenbürger).
Guido Nincheri fertigte aber nicht nur Glasmalereien und Fresken an, sondern entwarf auch eine Reihe von Kirchen, darunter St. Antonius von Padua in Ottawa und die Kirche der Madonna della Difesa in Montreal. Diese ist für ihr Fresko berühmt, das Benito Mussolini zu Pferd inmitten einer Gruppe von Gläubigen darstellte. Profane Bauten des Künstlers sind das Roger Williams Park Museum für Naturgeschichte, das Planetarium in Providence (Rhode Island) und das Schloss Dufresne in Montreal.
Beitragsbild: Max Kolbe