Griechenland besitzt mit seinen orthodoxen Kirchen und Klöstern auch zahlreiche Ikonen, die lange noch nicht alle dokumentiert und schon gar nicht abschließend wissenschaftlich bearbeitet sind. Eine dieser wenig bekannten Ikonen mit einem farbenfrohen Himmlischen Jerusalem ist auf Kreta zu finden. Das dortige Kloster Préveli besitzt dieses Kunstwerk, welches vermutlich um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden ist, ein Malermönch Michael soll daran beteiligt gewesen sein. Das Gemälde verrät Kenntnisse der abendländischen Ikonografie dieses Motivs nach Johan (Johannes) Sadeler I in Vitam Aeternam, wie sie etwa von Claes Jansz Visscher in seinem bahnbrechendem Sammelband „Theatrum Biblicum“ (1643) bekannt gemacht wurde.
So ist unten rechts der Heilige Johannes dargestellt, dem ein Adler beigegeben wurde, um anzudeuten, dass es sich um den Evangelisten handelt (hier nicht abgebildet). Neben ihm ist eine silbergraue Silhouette gesetzt, die das historische, alte Jerusalem in Palästina wiedergibt. In der Bildmitte ist Maria zu sehen, die ja als Schutzpatronin des Himmlischen Jerusalems und Braut des Lammes gilt. Neben ihr faucht das siebenköpfige Tier aus der Apokalypse, wie es schon Lukas Cranach ähnlich dargestellt hat.
Die obere Bildhälfte ist dem Neuen Jerusalem links und Johannes dem Seher rechts vorbehalten. Die Stadt ist manieristisch ausgestattet mit zahlreichen Bauten, Grünanlagen und einer Mauer aus roten, gelben und grünen Edelsteinen. Vor dieser Mauer steht Christus mit einer Schafherde, die hier die geretteten Gläubigen symbolisiert. Weitere Gläubige sind bereits in der Stadt und erkundigen sie teilweise in Gruppen, teilweise alleine. Über der Stadt befindet sich noch eine Taube und Gottvater, die zusammen mit der genannten Christusfigur das Dogma der Trinität betonen.
Stergios G. Spanakēs: The monastery of Preveli, Monē Prevelē, um 1985.
Michalēs G. Andrianakēs: Das Heilige Kloster Preveli, Rethymno 1996.
Claus Bernet: Pretiosen des Ostens: Ikonen, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 36).
Beitragsbild: Benoît