Vor einem kleinen, verschlossenen Tor mit filigranem Beschlagwerk erhebt sich, in heller blauer Farbe, die Mauer der Gottesstadt. Über der Mauerkante sind fünf verschiedene mittelalterlich geprägte Bauten aus dem Stadtinneren wie an einer Perlenschnur aneinander gereiht, breite Türme außen, Sakral- und Wohnbauten. Der schlanke Turm mit Zeltdach steht für die abendländische Kirche, der Kuppelbau für die Grabeskirche in Jerusalem. Abwechselnd sind sie in roter und gelber Farbe gehalten. Diese Konzeption ist weniger von zeitgenössischen Miniaturen entliehen, sondern findet sich auf Portalen, etwa an der Fassade von Notre Dame in Paris. Über der im freien Raum schwebenden Stadt steht links in einem farbigem Gewand Johannes der Seher und deutet auf Christus. Dieser erscheint über einem mehrfarbigen Strahlenkranz, eine Vermengung von Regenbogen und Mandorla, vor Goldhintergrund über der Stadt.
Unter diesem Miniaturausschnitt befindet sich eine Darstellung der Szene der „Rede Gottes“ (Johannesoffenbarung Kap. 21, Vers 5-6). Diese „Rede Gottes“ findet sich auch in der Trinity-Apokalypse, wie überhaupt die Hamburger Apokalypse (Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek, fol. 55 aus Hs. Cod. MS 98 in scrin.: 87) mit den englischen Ausgaben der Johannesoffenbarung aus dem 13. Jahrhundert in enger Verbindung steht.
Dieses spätgotische Exemplar entstand aber im mitteldeutschen Raum, vermutlich in einer Klosterwerkstatt der Benediktiner. Der heutige Name „Hamburger Apokalypse“ deutet also auf den Aufbewahrungsort, nicht auf die Herkunft der Handschrift. Mit einer geschätzten Entstehungszeit im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts ist es eine der ältesten bebilderten Apokalypse-Handschriften, die sich im deutschsprachigen Raum erhalten hat.
Die Hamburger Apokalypse, in: Gertrud Schiller: Die Apokalypse des Johannes, Gütersloh 1991, S. 232-235.
Claus Bernet: Das Himmlische Jerusalem in Deutschland, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 27).