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MS M 240 und MS Harley 1527: Bible moralisée (um 1225 und um 1250)

Eine Bible moralisée aus der Zeit um 1225 wird in der New Yorker Morgan Library aufbewahrt (Toledo-Exemplar, MS M 240). Von 2.700 Bildpaaren zeigen insgesamt neun Medaillons auf vier Seiten (fol. 3v, 5v, 6r, sowie 7v) das Himmlische Jerusalem. Diese Medaillons sind mit einer Londoner Ausgabe der Bible moralisée in der Anordnung, in der Ausführung und in der Farbwahl im Prinzip identisch. Alle Medaillons sind in einen rötlichen, hellen Kreis eingefasst und haben einen goldfarbenen Hintergrund. Die darauf gesetzten Stadtdarstellungen sind überwiegend in blauer, roter und grüner Farbe gefasst, wie bereits auf dem ersten Medaillon auf fol. 3v.

Fol. 5v bringt zunächst drei Mal eine ähnliche Stadtform, in deren fünf Rundbauten aber einmal menschliche Figuren gesetzt sind, zweimal ist allein der goldene Grund zu sehen. Ein Merkmal dieser Türme ist, dass ihnen oft ein kleines Haus aufgesetzt ist. Dass es sich bei den Wohntürmen nicht um die Tore der Stadt handelt, belegt eines dieser drei Medaillons, auf dem auf der grünen Stadtmauer unten zwei offene Tore angebracht sind. Das abschließende Jerusalem-Medaillon von fol. 5v zeigt die Tore noch deutlicher und auch größer. Dafür treten jetzt die Stadttürme zurück, um Platz zu machen für das Christuslamm und Gottvater, der unter einem Baldachin residiert.
Das erste Medaillon von fol. 6r zeigt nun ein offenes Haupttor, durch das eine Gruppe von Heiligen getreten sind. Es sind die Könige der Völker, die dem Lamm Geschenke präsentieren. Das folgende Medaillon zeigt wieder das Christuslamm mit Gottvater vereint und dient dazu, den Lebensbaum in die Geschichte einzufügen. Die Früchte des Baumes sind das Thema des folgenden und letzten Medaillons von fol. 6r, wo Menschen von dieser speziellen Nahrung essen.
Eine letzte Darstellung des Himmlischen Jerusalem bringt nochmals ein Medaillon auf fol. 7. Auf ihm sind Adoranten vor dem Lamm inmitten der heiligen Stadt versammelt, um es anzubeten.

Hans-Walter Stork: Die Bibel Ludwigs des Heiligen: Vollständige Faksimile-Ausgabe im Originalformat von MS M.240 der Peirpont Morgan Library, New York 1995.
Reiner Haussherr: Eine Warnung vor dem Studium von zivilem und kanonischem Recht in der Bible moralisée, in: Frühmittelalterliche Studien, 9, 1975, S. 390-404.
John Lowden: The making of the Bibles Moralisées, University Park (Penn.) 2000.

 

Teile einer anderen Bible moralisée aus der Zeit um 1250 werden in der Londoner British Library aufbewahrt, unter der Signatur MS Harley 1527. Es sind genau die Blätter, die auch die Johannesoffenbarung illustrieren. Die übrigen, fehlenden Teile vor allem zum Alten Testament befinden sich in anderen Bibliotheken, in Oxford und Paris; daher nennt man sie auch Oxford-Paris-London-Bible-moralisée.
Auf einem Blatt befinden sich sechs Miniaturen, die jeweils in ein Medaillon gesetzt sind. Nicht weniger als neun Medaillons zeigen verschiedene Szenen, die sich in einer Architektur des Neuen Jerusalem abspielen. Es ist aber nicht so, dass diese Bilder in der Reihenfolge wie der Apokalypsetext gelesen werden können oder müssen. Vielmehr sind es Wiederholungen, auch Illustrationen zu bestimmten Versen der Apokalypse, immer wieder unterbrochen oder angereichert mit Illustrationen zu ganz anderen biblischen Büchern, auch aus dem Alten Testament.

Es beginnt mit fol. 149v, wo erstmals dem Johannes die Stadt erscheint, hier schwebend nicht auf, sondern unter dunklen Wolken, die zu regnen scheinen. Der annähernd quadratische Baukörper ist vollständig überzogen mit verwinkelten Toren, Mauerzügen, Zinnen und Dächern.

Ausbreiten kann sich die Stadt auf fol. 151v, denn vier von sechs Miniaturen sind hier dem Himmlischen Jerusalem vorbehalten. Auf dreien erscheint der Engel und gewährt Johannes verschiedene Einblicke in die Stadt. Einmal sind die Tore der Stadt geschlossen, dann geöffnet und einmal mit menschlichen Wesen besetzt.

Die Szenen zum Himmlischen Jerusalem setzten sich mit drei Illustrationen auf fol. 152r fort. Jetzt tritt das Christuslamm auf die Bildfläche. Auf der ersten Illustration bringen ihm die Könige Geschenke, auf den weiteren Illustrationen geht es vor allem um den Lebensbaum mit seinen Früchten, die ewiges Leben ermöglichen.

Ein letztes Medaillon zum Himmlischen Jerusalem findet man auf fol. 153v, dem letzten Blatt von MS Harley 1527. Um was geht es? Gezeigt wird, wie aus dem geopferten Lamm Blut strömt. Dieses wird zum Lebensfluss und befruchtet die neue Schöpfung. Eine Besonderheit ist hier, dass sich der Lebensfluss in Form und Farbe an den Regenbogen annähert, der traditionell ein anderes Symbol ist, welches in der Apokalypse mit Christus in Verbindung steht.

Reiner Haussherr: Eine Warnung vor dem Studiern von zivilem und kanonischem Recht in der Bible moralisee, in: Früchmittelalterliche Studien, 9, 1975, S. 390-404.
John Lowden: The making of the Bibles Moralisées, 2 Bdd., University Park 2000.
John Lowden: The apocalypse in the Early-Thirteenth-Century Bibles Moralisées: A re-assessment, in: Nigel Morgan (Hrsg.): Prophecy, apocalypse and the Day of Doom, Proceedings of the 2000 Harlaxton Symposium, Donington 2004, S. 195-217.
Babette Hellemans: La Bible moralisée: une œuvre à part entière. Création, sémiotique et temporalité au XIIIe siècle, Turnhout 2010. 

 

tags: Bible moralisée, Frankreich, Gotik, Bibelausgabe, Medaillon, New Yorker Morgan Library, Wohnturm, Baldachin, Adoranten, British Library London, Lamm, Lebensbaum
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