In der Dorfkirche von Råsted auf Jütland hat sich eine der ältesten Wandmalereien Dänemarks am Originalstandort erhalten. Sie wurden mit naturwissenschaftlicher Methodik ziemlich genau auf die Zeit um 1125 datiert. Damit ist dies die älteste erhaltene Wandmalerei eines Neuen Jerusalem nicht allein in Dänemark, sondern in ganz Skandinavien. Erst im Jahr 1936 hat man sie unter einer weißen Kalkschicht aufgefunden und zwei Jahre darauf das erste Mal und 1960 ein zweites Mal restauriert. Es handelt sich um zwei Architekturdarstellungen, die sich über zwei Rücksprünge verteilen. Wenn man den kubusartigen Hauptraum betritt, sind dies einmal die Zeichnungen über der Fensterlaibung links vom Eingang und über der Tabernakelnische über dem Altarbereich.

Beide Darstellungen ähneln sich und bilden eine Einheit: Die rotbraun-ockerfarbene Gottesstadt erhebt sich über den Rundbogen des Fensters bzw. der Nische. Dabei wurden dieses so ummalt, dass in Art einer romanischen Illusionsmalerei der Eindruck entsteht, als sei das Fenster bzw. Nische ein großes Zugangstor in die Stadt. Diese Stadt zeigt jeweils drei lange, schmale Türme, die für die dänische Romanik charakteristisch sind, ebenso wie das aufgemalte expressive Zackenbänder, die sich an verschiedenen Stellen der Malerei in diesem Raum finden lassen. Die oberen Türme sind überwiegend weiß belassen, die Mauerung wurde in roter Farbe gesetzt. Das historische Jerusalem hatte zu dieser Zeit kaum ein Künstler je gesehen; die biblische Stadt wurde zum Inbegriff von Stadt, von Schutz und Urbanität an sich und konnte ohne jeden historischen oder biblischen Bezug gestaltet sein. So fehlen in der Stadt der mittelalterlichen Betrachtung vertraut gewesenen Elemente, wie das Gotteslamm, der Lebensbaum oder die Apostel. Sie wurden aber nicht gänzlich weggelassen, sondern finden sich an anderen Stellen dieser raumfassenden Malerei, denen ein subtiles Konzept zugrunde liegt: Drei Türe besetzten die Ostseite, drei die Nordseite. Möglicherweise waren auch an den gegenüber liegenden zwei Seiten solche Stadtdarstellungen, die sich später durch bauliche Veränderungen wie Fenstervergrößerungen verloren haben – das Museum Hjerl Hede hat Rekonstruktionen des ursprünglichen Zustands zur Zeit der Romanik erarbeitet.

Egmont Lind: De romanske Kalkmalerier i Råsted Kirke, in: Fra Randers Amt, 1945, S. 6-23.
Ulla Haastrup: Die romanischen Wandmalereien in Råsted. Ikonographie, Bildprogramm und Theater, in: Hafnia. Copenhagen papers in the history of art, 2, 1972, S. 69-138.
Lise Gotfredsen: Råsted kirkes kalkmalerier, in: Meddelelser fra Arhus Stift, 13, 1975, S. 34-44.
Lise Gotfredsen: Råsted kirke – Spil og billede, København 1975.
Ulla Haastrup, Robert Egevang (Hrsg.): Danske kalkmalerier. Romansk tid, 1080-1175, København 1986.
Morten Møbjerg: Fra døden til livet. Kalkmalerierne i Råsted kirke liturgisk tolket, Råsted 1991.



