
Die Auftraggeberin dieser Handschrift maß dem Himmlischen Jerusalem große Bedeutung bei, man findet es auf fünf einzelnen Miniaturen dargestellt. Trotz unterschiedlicher Perspektiven erzeugen gleiche Farbwahl, ähnliche Hintergrundgestaltung, die Rahmung sowie eine einheitliche Proportion dieser fünf Darstellungen einen harmonischen Klang.
Fol. 77 eröffnet den Reigen mit einer Stadt, die eigentlich aus zwei Türmen besteht und den Rahmen für die thronende Christusfigur dazwischen abgibt. Gleichzeitig erinnert die Art der Präsentation an mittelalterliche Tabernakel. An den Seitentürmen eröffnen zwei Engel mit Posaunen das Jüngste Gericht.
Die Blätter 79, 80, 81 und 82 zeigen weitere Perspektiven der Stadt. Im Uhrzeigersinn zeigt zunächst fol. 79 eine Miniatur, die sich an die Beatus-Apokalypsen anlehnt. Wirklich Neues bringt fol. 81: Es ist die einzige Miniatur, die die Außenseiten der Stadt zeigt. Letztlich sind es drei Kompartimente (Edelsteine, Mauer- und Fensterwand), aus denen sich die Stadt zusammensetzt, die in dieser Miniatur direkt am unteren Bildrand ansetzt und sich bis an den oberen Rand durch das Bild zieht. Diese Verdrängung des Hintergrunds ist auch den anderen Miniaturen zu Eigen.
Die Handschrift MS fr. 13096 aus der Französischen Nationalbibliothek ist im Jahr 1313 entstanden, als Kaiser Heinrich VII. bei Siena verstarb, was Zeitgenossen in ganz Europa als den Beginn der Endzeit interpretierten. Auftraggeberin war Isabella von Frankreich (1292-1358), eine französische Prinzessin und Königin von England. Ihrem Miniaturisten, Colin Chadewe, gelang mit dem Werk ein bedeutender Schritt hin zu einem mehr persönlichen Andachtsbuch für adelige Leser und Leserinnen.
Suzanne Lewis: The Apocalypse of Isabella of France, in: The Art Bulletin, 72, 2, 1990, S. 224-260.
Alison Weir: Isabella – She-Wolf of France, Queen of England, London 2005.
Apocalypse 1313, Barcelona 2006.