Tympanon von Saint-Maclou in Rouen (15. Jh.)

Die Szene auf dem Bildausschnitt ist leider nur in Teilen erhalten, vor allem die Architektur Jerusalems und die dazugehörigen Figuren sind beschädigt. Die Komposition kann man aber in ihren Grundlinien noch erkennen. Unten öffnen sich Grabplatten und einige Auferstandene nähern sich von links dem Himmlischen Jerusalem. Dieses ist als gotische Kirche mit einem gewaltigen Satteldach dargestellt, von dem man sogar die einzelnen Dachschindeln sehen kann. Oben hatte das Dach noch einen Turm aus spätgotischem Maßwerk, welches bereits in den Flamboyant übergeht. Große Teile des Daches sind allerdings weggebrochen, so dass die Figuren, die sich einst bereits in der Kirche befanden, nun wieder im Freien stehen. Links befindet sich noch ein halbes Maßwerkfenster. Nach rechts findet man noch zwei Reste der Pfeiler, jetzt gewissermaßen Stümpfe. Diese zeigen aber an, dass sich hier einst vermutlich zwei vollständige Fenster befanden. Links betreten gerade zwei nackte Menschen die Kirche bzw. das Himmlische Jerusalem, sie werden von einem Engel in Empfang genommen und neu eingekleidet. Möglicherweise sind es Adam und Eva. Weitere schlanke Personen stehen in einer Reihe rechts an. Die Figuren sind erhalten, die Pforte, in die sie eintreten wollten, ging verlustig. Die Figurenführung und vor allem die gekräuselten Wolken darüber, wie freilich auch viele weitere Merkmale dieses Tympanons kennzeichnen es als Werk des 15. Jahrhunderts. Künstler, ausführende Werkstatt oder Auftraggeber sind heute nicht mehr bekannt. Das Detail gehört zum großen mittleren Westtympanon der römisch-katholischen Kirche Saint-Maclou in Rouen (Normandie). Wie das Jerusalem auf dem Tympanon ist auch der gesamte Kirchenbau ein Meisterwerk des Flamboyant. 

Linda Elaine Neagley: Late gothic architecture and vision. Representation, scenography, and illusionism, in: Matthew M. Reeve (Hrsg.): Reading gothic architecture, Turnhout 2008, S. 37-55.

 

tags: Tympanon, Frankreich, Normandie, Mikroarchitektur, Flamboyant, Schaden
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