Albert Birkle (1900-1986): St. Antonius in Kuppingen (1958)

Einer der besonderen sakralen Neubauten nach 1945, der nicht durch Kriegseinwirkungen notwendig geworden war, war in Süddeutschland die römisch-katholische Antonius-Kirche in Kuppingen bei Herrenberg. Hier machte das Stadtwachstum den Bau einer gänzlich neuen Kirche notwendig, was dann im Jahr 1958 umgesetzt werden konnte. Die Glasfenster sind von Albert Birkle (1900-1986). Der Künstler war vor Ort bekannt, da er hier viele Jahre zuvor schon einmal ein Neues Jerusalem entworfen hatte, 1933 in St. Josef. Diesmal sollte jedoch etwas ganz anderes entstehen. Zwölf separate Fenster in der linken Seite der Apsis des Neubaus sollen nach Aussage des Künstlers in ihrer Gesamtheit das Himmlische Jerusalem darstellen. Die einzelnen Fenster bestehen aus in schwarzem Beton eingelegten Glassteinen. Je nach Lichteinfall und Bewegung im Kirchenraum blinken unterschiedliche Farben seitlich auf den Altar, Fußboden oder die Wand der Gegenseite. Jedes dieser zwölf Fenster ist wiederum in neun Segmente unterteilt, die in etwa eine gleiche Größe haben. In dem mittigen Segment hat Birkle größere Steine eingesetzt, die auch Rundungen aufweisen. Die mosaikartig zusammengesetzten bunten Glassteine vermitteln den Eindruck kostbarer Edelsteine und formieren einen Kontrast zu der glatten, weißen, unverputzten Betonwand. Ende der 1950er Jahre war so eine Wandgestaltung revolutionär, man wird eine solche Arbeit kaum ein zweites Mal in einer Kirche in Süddeutschland wiederfinden. Mit diesem Fenster hat Birkle seine figürliche Schaffensperiode abgeschlossen und ein Fenster entworfen, dass seiner Zeit um gut zehn Jahre voraus war. Hatte er 1951 in Salzburg und 1953 in Freiburg das Neue Jerusalem noch figürlich dargestellt, hatte er sich nun davon verabschiedet und eine neue Interpretationsweise gefunden. Vermutlich ist in Kuppingen die früheste vollständig abstrakte Darstellung des Neuen Jerusalem entstanden, knapp zehn Jahre vor Erkelenz.

Festschrift zur Einweihung der neuerbauten Kirche St. Maria, Königin des Friedens in Nufringen und zum 25jährigen Bestehen von St. Antonius in Kuppingen, Nufringen 1983.
Rudolf Pfefferkorn: Albert Birkle. Leben und Werk, Hamburg 1983.
Horst F. Sehorsch: Vom Leiden sich berühren lassen, Der ‚Kuppinger Kreuzweg‘ von Albert Birkle, Herrenberg 2005.
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Norderstedt 2013 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 6).

 

tags: Württemberg, Albert Birkle, Beton, Moderne, abstrakt
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