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Édouard Goerg (1893-1969): L’Apocalypse (1945)

1945 war durchaus ein passender Moment, sich mit der Apokalypse auseinanderzusetzen: Europa lag in Trümmern, Millionen Menschen waren ermordet worden, mussten fliehen oder hatten alles verloren, auch oft ihren Glauben. Édouard Joseph Goerg (1893-1969) hat vor diesem Zeithintergrund seinen zwanzigteiligen Zyklus „L’Apocalypse“ entworfen. Dieser Apokalypsezyklus ist Ausdruck einer Lebenskrise des Künstlers zwischen 1943 und 1945, als er sich innerhalb der französischen Résistance an mehreren Aktionen aktiv gegen die deutsche Besatzung beteiligte. Zudem musste Goerg seine Frau und Tochter, die jüdischer Abstammung waren, über Jahre versteckt halten. 1944 verstarb seine erkrankte Frau.
Der Zyklus „L’Apocalypse“ war 1945 vollendet und steht für seine Arbeit am Neuen Testament, während er sich in der Serie „Book of Job“ gleichzeitig mit dem Alten Testament auseinandersetzte. Es sind Lithographien, die in Paris bei Desjobert verlegt wurden und denen ein Text beigegeben wurde, der bei Jaques Haumont erschien. 198 Exemplare wurden so unter schwierigsten Bedingungen wenige Monate nach Kriegsende hergestellt. Die 20. Lithographie trägt den Titel: „And I John saw the holy city, new Jerusalem, coming down from God out of heaven“ (London, British Museum, Inventarnr. 1997-12-7-6, 20).
Das schwarz-weiße Bild ist in drei Zonen unterteilt. Unten scheint die Erde unterzugehen, drei Menschen schwimmen in einem Meer, einige offensichtlich bereits tot, andere um ihr Leben kämpfend. In der mittleren Zone stemmen sich aus einem Felsen zwei schwarze Arme von gigantischer Größe nach oben, was an einen Vulkanausbruch erinnert. Auf den Händen wird im oberen Drittel des Bildes das Neue Jerusalem präsentiert. Es erinnert entfernt an das alte Motiv der Hand Gottes im Mittelalter, wo allerdings eine Hand von oben die Stadt nach unten lässt. Im gleißenden Licht sind helle Architekturteile lediglich angedeutet, man erkennt Häuser, Türme, Fenster und Treppenaufgänge der Stadt, die jedoch einen recht unbelebten Eindruck machen. Selbst auf die Darstellung der Wächterengel, wie auch auf das Gotteslamm oder den Engel mit Johannes verzichtete Goerg.

Gaston Diehl: Édouard Goerg, Paris 1947.
Waldemar George: Goerg, Paris 1947. Genève 1975 (2).
Jacques Despierre: Notice sur la vie et les travaux de Édouard Goerg (1893-1969), Paris 1970.

 

tags: British Museum London, Apokalypsezyklus, Judentum, Lithographie, Paris, Nachkriegskunst, Vulkan
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