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Antoine François Cosyns (1875-1936): Apokalypsezyklus (1922)

Der belgische Grafiker Antoine François Cosyns (1875-1936) hat nach dem Ersten Weltkrieg für die französische Übersetzung der Johannesoffenbarung von Paul Louis Couchoud einen neuartigen, auf das Wesentliche konzentrierten Holzschnitt-Zyklus gestaltet. Paul Louis Couchoud (1879-1959) war ein französischer Philosoph und Universalgelehrter, der davon ausging, dass der historische Jesus nie gelebt habe, sondern die christliche Religion als mystische Erfindung verstanden werden müsse. Obwohl von der Bibel als Fiktion überzeugt, beschäftigte sich Couchoud intensiv mit diesem Gegenstand und ließ seine eigenen Übersetzungen mit hochwertigen Illustrationen ausstatten.
Das letzte Bild des Apokalypsezyklus zeigt das Himmlische Jerusalem. Fast die gesamte obere Hälfte wird von einem Engel mit breiten Flügeln eingenommen, der den zögerlichen Johannes motiviert, die Stadt zu betrachten. Johannes wird hier nicht als antiker Mensch, sondern als Zeitgenosse präsentiert. Auch die Stadt auf der linken Bildhälfte ist eher an amerikanische Städte zu Beginn des 20. Jahrhunderts angelehnt. Es ist eine aufwärts strebende neoklassizistische Architektur, unbelebt und unbegrünt. Nichts Konkretes erinnert hier an das Himmlische Jerusalem.
Wie auch bei anderen Bildern seiner Apokalypse-Serie setzte Cosyns bei der Zeichnung allein auf schwarz-weiße Effekte. Mit wenigen Linien wird eine expressive Ausdrucksstärke hervorgerufen, die durch den energischen Gestus des Engels, der das gesamte Bild umspannt, noch gesteigert wird.

L’Apocalypse, traduction du poème avec une introduction par Paul-Louis Couchoud, Paris 1922.
Claus Bernet: Gemälde, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 21).

 

tags: Holzschnitt, Apokalypsezyklus, Engel, Illustration
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