1907 erschien in der Zeitschrift „Youth’s Instructor“, der Jugendzeitschrift der US-amerikanischen Adventisten, eine Zeichnung, die Johannes den Seher vor dem Himmlischen Jerusalem zeigt. Man findet sie in Band 55, Nr. 49, auf Seite 7. Dort bricht an der linken Seite der dunkle Himmel auf. Die Himmelserscheinung über dem Meer auf der linken Seite der Schwarz-Weiß-Zeichnung ist lediglich angedeutet, Mauern, Bauten oder andere zu vermutende Einzelheiten lassen sich auch auf dem Original nicht erkennen, sogar Strahlen oder eine Gloriole wurden hier weggelassen. Ganz bewusst soll die Vision vage bleiben, um eben ihren Charakter als Vision zu verdeutlichen. Interessant ist die stehende Figur an der rechten Seite. Mit dem Speer, der stolzen aufrechten Haltung und der freigelegten Wurzel ganz rechts liegt die Assoziation an Wotan und seine Eiche nahe. Vielleicht ist mit der abgestorbenen Eiche tatsächlich die Überwindung des alten germanischen Glaubens durch das Christentum angedeutet; daraufhin deutet auch eine kleine schwarze Schlange, die aus dem Wurzelwerk nach unten flüchtet. Ganz so unbelebt ist die Illustration also nicht, auch am Ufer etwa in der Mitte findet sich Leben. Dort stehen zwei Fischer neben einem angelegten Boot. Ganz links befinden sich Äste eines anscheinend ebenfalls abgestorbenen Baumes, darüber fliegt ein Vogel.
Der Urheber dieser durchaus qualitätsvollen und vor allem interessanten Arbeit ist leider namentlich nicht bekannt. Es muss ein Mann oder eine Frau gewesen sein, der oder die kompositorisch überzeugend zu arbeiten wusste. Hätte man nicht das Vorwissen, dass hier das Neue Jerusalem dargestellt sein soll, könnte man die Zeichnung auch für einen Bühnenentwurf für eine Wagner-Oper oder für Walhalla halten.
Claus Bernet: Das Himmlische Jerusalem bei Adventisten, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 20).
