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Trierer Apokalypse und Apokalypse von Cambrai (9. Jh.)

Die Trierer Apokalypse wurde in Nordfrankreich in einem karolingischen Skriptorium geschrieben und illustriert (Stadtbibliothek Trier, Cod. 31: fol. 67r, 69r, 70r, 71r, 72r und 73r). Sie gilt als Meisterwerk der Romanik. Von 74 ganzseitigen, rot gerahmten Miniaturen zeigen sechs das Himmlische Jerusalem. Entstanden vermutlich zu Beginn des 9. Jh. sind es die ältesten Darstellungen dieses Themas, die sich auf Pergament erhalten haben. Gemeinsam ist den Miniaturen nicht bloß der rotbraune Rahmen, sondern auch eine blaue Bildzone im oberen Bereich, die den Himmel andeutet. Die Gottesstadt ist in unterschiedlicher Art und Weise dargestellt, wenngleich die Zugehörigkeit jeder Darstellung zur Trierer Apokalypse sofort zu erkennen ist. Es handelt sich um sechs Varianten eines einzigen Illustrators.

Marie-Thérèse Gousset: La représentation de la Jerusalem céleste a l’époque carolingienne, in: Cahiers Archéologiques, 23, 1974, S. 47-60.
Richard Laufner, Peter K. Klein: Trierer Apokalypse, Kommentarband, Graz 1975.
Paul Huber: Apokalypse: Bilderzyklen zur Johannes-Offenbarung in Trier, auf dem Athos und von Caillaud d’Angers, Düsseldorf 1989.
Die Trierer Apokalypse, Codex 31 der Stadtbibliothek Trier. Kommentar von Peter K. Klein, mit Beiträgen von Richard Laufner und Gunther Franz, Graz 2001.
Masako Hamanishi: Studien zur Trierer Apokalypse-Handschrift, Berlin 2004. 

Die tintengezeichneten Miniaturen aus der weniger bekannten Apokalypse von Cambrai (fol. 39, 41, 42, 43, 44, 45) sind mit denen der Trierer Apokalypse vergleichbar. Während die Trierer Apokalypse zu Beginn des 9. Jahrhunderts entstand, wird die Cambrai-Apokalypse auf das Ende dieses Jahrhunderts datiert. Obwohl die Ähnlichkeit zur Trierer Apokalypse auf den ersten Blick ins Auge fällt, gibt es, wie wir sehen werden, durchaus feine Unterschiede, die sicher nicht zufällig entstanden sind. Die Apokalypse von Cambrai könnte am gleichnamigen Ort geschaffen worden sein, da es dort eine Schriftproduktion gab und dieses Werk schon sehr früh, ab Ende des 10. Jahrhunderts, von der dortigen Bibliothek aufbewahrt wird, früher unter der Signatur MS 364, heute unter MS 386.

L’Apocalisse di Cambrai (inizio sec. X), in: Maria Luisa Gatti Perer (Hrsg.): La Gerusalemme celeste, Milano 1983, S. 163-164.

 

Trier fol. 67r und Cambrai fol. 39

Summa summarum ist die Apokalypse von Cambrai etwas detailfreudiger und ornamentierter. Das sieht man bereits auf der ersten Miniatur, welche das Himmlische Jerusalem zeigt: Es handelt sich um ein klassisches Weltgericht. In der Mitte thront Christus auf dem Erdkreis, unter ihm erscheinen Nackte, die nun gerichtet werden. Links oben ist das Neue Jerusalem positioniert, als Agglomeration weniger Bauten. Hinter ihnen erscheinen einige Heilige, die Christus das Buch des Lebens aufschlagen, in dem die Bewohner der Stadt eingeschrieben sind.

 

Trier fol. 69r und Cambrai fol. 41

Die folgende Miniatur zeigt Johannes und den Engel, wie sie das Erscheinen der Stadt beobachten. Bei der Trierer Apokalypse ist der Zionsberg nichts weiter als ein gelber Kloß. Bei der Cambrai-Apokalypse wurde der Berg mit einer Vegetation versehen. Bei der Stadt kommt das horizontale Edelsteinfundament deutlicher zum Ausdruck und die kahle Stadtmauer ist gegen Tore und Kuppeln ausgetauscht worden.

 

Trier fol. 70r und Cambrai fol. 42

Fol. 70r bzw. fol. 42 sind kompositorisch eine Wiederholung der letzten Szene. Bei der Trierer Apokalypse ist der Zionsberg ganz verschwunden, bei der Apokalypse aus Cambrai ist noch ein Rest davon vorhanden. Anstatt des Maßstabs hält der Engel hier ein lateinisches Kreuz. Die Details und Farben der Kopie deuten darauf hin, dass dem Kopisten das Original vorgelegen haben, oder es gab eine dritte Variante, die wir nicht mehr kennen.

 

Trier fol. 71r und Cambrai fol. 43

Thema dieser beiden Miniaturen ist der Lebensbaum. Die Zeichnungen sind bei der Trierer Apokalypse detailreich und genau ausgearbeitet, doch dann hat der Kolorist einheitlich grüne Farbe aufgeschmiert, was die Zeichnungen teilweise überdeckt. Bei der Cambrai-Apokalypse füllen die Farben die Zeichnungen passgenau. Auch hier wurde unter der Stadt wieder das Edelsteinfundament eingefügt, welches links noch fehlt.

 

Trier fol. 72r und Cambrai fol. 44

Gleiches gilt auch für fol. 72r bzw. fol. 44. Hier jedoch ist das Fundament schmaler und teilweise ornamentiert, da es so besser zu den Bauten darüber passt. Adoranten, noch in antiker Kleidung, nähern sich der Stadt und werden von einem Engel oben begrüßt.

 

Trier fol. 73r und Cambrai fol. 45

Die abschließende Illustration der beiden Apokalypsen mit Jerusalemsbezug ist ungewöhnlich, denn sie bringt noch einmal rechts den Seher Johannes auf Patmos. Er wird gezeigt, wie er eine Pergamentrolle beschreibt, wobei ihm der Engel das Wort vorgibt. Auf der Miniatur der Cambrai-Apokalypse hat die Stadt ein dreischichtiges Fundament und fünf offene Tore, während die Trierer Apokalypse erneut kahles Mauerwerk zeigt. Bei der Cambrai-Apokalypse setzt sich das Fundament sogar rechts fort und bildet dort die Basis des Stuhls, auf dem Johannes sitzt und schreibt.

 

tags: Frühmittelalter, Frankreich, Weltgericht, Edelsteinfundament
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