John Martin (1789-1854): Mezzotinto-Fassungen (1824/25)

John Martin (1789-1854) ist vor allem für sein Ölgemälde „The Last Judgement“ bekannt (1853), doch er hat das Himmlische Jerusalem bereits früher mehrfach dargestellt. Um 1824 hatte der junge Verleger Septimus Prowett (vor 1820-1867) Martin mit der Anfertigung einer Reihe von Mezzotinto-Illustrationen zu Miltons „Paradise Lost“ beauftragt, wofür Martin die enorme Summe von 2.000 Guineen erhielt. Die Drucke wurden zunächst im Subskriptionsverfahren in zwölf monatlichen Teilen veröffentlicht, die jeweils zwei Mezzotintos und einen Textabschnitt enthielten und später zu einem illustrierten Gesamtband gebunden werden konnten. Die letzten Teile erschienen 1827 (daher die Erscheinungsdaten auf den Drucken, die von 1825 bis 1827 reichen).

Mehrere dieser Drucke haben sich in der Royal Academy of Arts in London erhalten. Eines der Werke lautet „Heaven – The Rivers of Bliss“. Hier ist die Gottesstadt als Burganlage unter einer weißen Gloriole zu erkennen. Das 35 x 25 Zentimeter große Werk entstand 1824/25 aus der Serie zu „Paradise Lost“ (11. Buch) und hält sich eng an die Textvorlage. In einer späteren Version dieses Druckes wurde die Stadtvision ganz herausgenommen.
Die Serie entstand im Mezzotinto-Verfahren. Diese Schabtechnik, auch Schwarzkunst genannt, ist ein Tiefdruckverfahren, das 1642 von Ludwig von Siegen (1609-1680) in Holland entwickelt wurde. Es wurde selten verwendet, da die Druckplatten sehr empfindlich waren und nur bis zu tausend Mal verwendet werden können. Es eignete sich aber hervorragend zur Herstellung großformatiger Werke, wie sie Martin bevorzugte.

Das Werk „Angels Singing in Heaven“, auch „The Courts of God“, ebenfalls 35 x 25 Zentimeter groß, entstand parallel zu „Heaven – The Rivers of Bliss“ (Royal Academy, Inventarnummer 18/2631). Martin hat die Architektur Jerusalems deutlicher als sonst bei ihm üblich herausgearbeitet. Die Komposition besticht durch das Hervorbrechen des gleißenden Weiß der Sonne hinter einer schwarzen, düsteren Wolke. Wie bei allen anderen Werken zur Gottesstadt ist das Bild mit weiß gekleideten Engeln bevölkert, die hier musizieren.

„Angels Herald the Word of God“ (Royal Academy 18/2646), 1825 angefertigt, ist fast eine Kopie von „Heaven – The Rivers of Bliss“. Die Gloriole über der Stadt ist transparent in den Hintergrund getreten, dafür finden sich jetzt auch rechts helle, blockartige Bauten. Diese wurden in die felsige Landschaft eingearbeitet. Weggelassen wurde der markante Baum am rechten Rand, während die Engel, die Hauptpersonen des Titels, unverändert im Vordergrund musizieren.

Giovanni Guardia: Gli angeli di John Martin, in: Angeli, bearb. von Vega de Martini, Firenze 1994, S. 108-109.
Detlef W. Dörrbecker: Zwischen Babylon und Neuem Jerusalem, in: Vittorio Magnago Lampugnani, Matthias Noell (Hrsg.): Stadtformen, Zürich 2005, S. 96-111.

 

Zu diesen Arbeiten gehört eine weitere Arbeit von Martin, die zeitgleich um 1824/25 entstand. Es handelte sich entweder um ein Gemälde oder eine Zeichnung, die leider verschollen ist. Wir besitzen aber eine Kopie, welche William R. Smith als Kupferstich anfertigte. Dieser Stich wurde in einer Londoner Ausgabe von Pilgrim’s Progress im Jahr 1830 gebracht, und zwar als Frontispiz zum zweiten Teil (S. 215). Es ist die Szene, wo die verheißungsvolle Stadt zwar schon zu sehen ist, aber noch ein tiefer Fluss zu überqueren ist. Martin/Smith fügt die Stadt als Aneinanderreihung weißer Bauten in den Horizont ein, in einer Linie, die sich durch das gesamte obere Bild zieht.

 

tags: John Martin, John Milton, Mezzotinto, schwarzweiß, Royal Academy of Arts, London, Pilgrim's Progress, Harvard University, Kupferstich
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