Die Triptychon-Ikone ist eine der wenigen Ikonen, die das Himmlische Jerusalem zwei Mal darstellt. Die Ikone (208 x 138 Zentimeter) stammt aus dem 17. Jahrhundert. Auf drei Tafeln, die die meiste Zeit des Jahres geschlossen waren, wurden die Ereignisse der Endzeit in kräftigen Farben geschildert. Ihr Maler stammte aus Jaroslawl an der Wolga nordöstlich von Moskau und stand der russischen Volkskunst nahe. Das Kunstwerk gehört in den Kreis der Altgläubigen aus der Mariä-Schutz-Kathedrale (Pokrowskij-Altgläubigenkathedrale) auf dem Rogozskij-Friedhof in Moskau. Dort fand es bei Prozessionen ins Freie liturgische und kultische Verwendung, was das Werk jedoch schwer in Mitleidenschaft zog.
Das erste Neue Jerusalem befindet sich auf der linken Seite der mittleren Tafel der Triptychon-Ikone. Auf dem kleinen Detail strebt unten eine Masse von Gläubigen zu einem rosafarbenen, offenen Tor. Es sind Mönche, die für ihr engelsähnliches Leben auf Erden nun mit Flügeln beschenkt werden. Darüber sieht man Gruppen von Heiligen in Öffnungen einer blaufarbenen Arkadenarchitektur, wie man es etwa von französischen Fresken der Benediktiner aus dem Mittelalter her kennt. Im oberen Teil ist noch die Kokoschnik-Linie zu erkennen, eine kielbogenförmige Linie, die die Ikone nach außen begrenzt.
Das zweite Neue Jerusalem findet sich auf dem linken Flügel der Innenseite (sechstes Register von unten, zu Johannesoffenbarung Kap. 19, Vers 8-10, 11-16, 17-20; Kap. 20, Vers 1-3; Kap. 21, Vers 1-2, 10-21; Kap. 22, Vers 1-5). Vor einer Goldgrundierung hebt sich rechts ein dunkles Viereck ab. Jede Seite besteht aus drei annähernd quadratischen Kompartimenten, die abwechselnd heller und dunkler gefärbt sind. Sie bestehen aus jeweils einem ornamental verzierten, aber verschlossenen Tor und einem Wandbereich. Zusammengenommen ergeben die einzelnen quadratischen Kompartimente wiederum ein großes Quadrat. Dieses Quadrat ist im Inneren fast leer, auf dem Original erkennt man auf einer Wiese unterschiedliche Blumen. Dieses Jerusalem zeigt sich also noch nicht in seiner vollen Prachtentfaltung, sondern quasi im status nascendi und in Anlehnung an den Hortus Conclusus, mit dem eine Brücke zur auch bei den Altgläubigen wichtigen Marienfrömmigkeit geschlagen ist.
Korolev Vasilij Filippovič (Bearb.): Drevnie ikony. Staroobrjadčeskogo kafedral’nogo Pokrovskogo sobora pri rogožskom kladbišče v Moskve, Moskva 1956.
Andrej Tchernodarov: Kunst der verbannten Kirche, Apokalyptik und das Jüngste Gericht in der sakralen Kunst des russischen Altgläubigentums, 2 Bdd., Halle 2006.