Louis Caillaud d’Angers (1911-2007): Apokalypsen-Zyklus (1984) und Kopie (1999)

Louis Caillaud d’Angers arbeitete 1984/85 an einer Serie, die die gesamte Apokalypse umfassen sollte. 40 Tafelbilder entstanden. Zwei farbenfrohe Ölgemälde sind aus dieser Serie entnommen. Beide zeigen das Himmlische Jerusalem; einmal als belebte Stadt von Innen, mit Christus, Bewohnern (Heilige und Märtyrer) und Engeln (L’apocalypse de St-Jean, oeuvre peinte par Caillaud d’Angers, S. 36). Vor seinem Thron strömt das Wasser des Lebens nach unten.

Ein andermal zeigt uns d’Angers eine abweisende Stadt von außen, ohne irgendein Zeichen von Leben. Unten sind mit Farbstreifen die Edelsteine als Fundament der Stadt angedeutet, dazwischen sind die Tore als türkisfarbene Bögen gesetzt. Es sind ein großes Tor, fünf mittelgroße Tore und sechs sehr kleine Tore (L’apocalypse de St-Jean, oeuvre peinte par Caillaud d’Angers, S. 37). In beiden Bildern dominiert eine expressive Ausdruckskraft, vor allem in den verwinkelten Bauten der ineinander geschobenen Häuser, Tore und Türme.

Ich habe es dem Maler zu verdanken, dass er mich auf eine weitere Darstellung des Neuen Jerusalem innerhalb dieses Zyklus hinwies, die man allzu leicht übersehen kann. Man findet die Stadt als kleines Detail des letzten Bildes der Serie, mit dem Titel „Ich, Jesus“ (S. 40). Unter einem zentralen Christuskopf hat d’Angers die Stadt unten zwischen zwei stehenden Figuren eingeschoben, bekrönt von einem Davidstern. Aus Platzgründen sind nur wenige der Tore zu sehen, auch die Mauerpartien wurden reduziert. Die weißen, hellen Streifen sollen das Licht widerspiegeln, welches von Christus ausgeht.
Louis Caillaud d’Angers (1911-2007) war ein (nach Charakterisierung Dritter) menschenscheuer Einzelgänger, der abseits der Kunstszene arbeitete und sich intensiv mit dem Unterbewussten auseinandersetzte. Freude und Lebensbejahung sind der Grundtenor seines Werkes, und es erscheint nur scheinbar widersprüchlich, dass gerade dieser Künstler sich so intensiv mit der Apokalypse auseinander gesetzt hat. Über diese sagte er: „Der Johannestext ist oft schlecht interpretiert worden; darum denken wir beim Wort ‚Apokalypse’ an schlimmste Katastrophen, ohne daß Grund dazu vorläge. Der Reichtum, den dieser Text enthält, hat mir gestattet, mich frei auszudrücken – außerhalb der Zeit, obwohl ich unserer Zeit und ewig allen Zeiten angehöre“.

Gegen Ende seines Lebens schuf d’Angers nochmals eine Fassung eines seiner Jerusalem-Interpretationen. Dies geschah innerhalb seiner sogenannten „vierten Periode“ im Jahr 1999. Das Ölgemälde firmiert auch unter dem Titel: „Les rois de la terre viendront lui porter leurs trésors“ („Die Könige der Erde werden kommen, um ihm ihre Schätze zu bringen“). Die Stadt Jerusalem ist eigentlich eine Kopie seines Gemäldes von 1984; man findet wieder die zwölf Tore in Türkis, das Edelsteinfundament und die goldenen Bauten als Rechtecke. Die Zeichnung ist also gleichgeblieben, minimale Änderungen finden sich allein in der Kolorierung. So etwa besitzt die zweite Fassung etwas mehr Gelbton, am deutlichsten festzumachen neben dem türkisfarbenen Tor links unten. Die quadratische Umfassung der ersten Variante wurde aufgegeben zugunsten eines blauen Bogens, der nun die Stadt überspannt.

Louis Caillaud d’Angers: L’apocalypse de St-Jean, oeuvre peinte par Caillaud d’Angers, Payerne (1985).
Paul Huber: Apokalypse, Düsseldorf 1989.

 

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