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Aymar de Poitiers: Guillaume de Digullevilles Pélerinage (um 1460)

Eine französischsprachige Prosaausgabe der „Pélerinage de la vie humaine“ von Guillaume de Digulleville (auch Déguileville, 1295-1358) wurde um 1460 von Aymar de Poitiers in Paris oder in Tours gestaltet. Die Ausgabe aus der Genfer öffentlichen Bibliothek (MS Fr. 181) ist derjenigen von Charlotte von Savoyen (1441-1483) ähnlich (MS 228) und wohl mit dieser zusammen entstanden. Gerade die folgenden Szenen sind aber in MS 228 nicht enthalten.
Zunächst erscheint die Stadt auf fol. 2v im Spiegel, während der Pilger hier mit offenen Augen im Bett liegend träumt. Laut des Textes müsste in dem Spiegel eine Stadt erscheinen, doch was präsentiert uns Aymar de Poitiers?
Vier weitere Miniaturen mit einem eindeutigerem Jerusalem finden sich auf fol. 3, 3v (2 Stück) und 4.

 

Fol. 3 gibt einen ersten Einblick in das Neue Jerusalem: Hier residieren ein Adeliger und ein Geistlicher in kostbarer Bekleidung. Einfacher gekleidet sind dagegen die Mönche links. Sie gehören noch nicht zu den Bewohnern der Stadt, versuchen aber in die Stadt zu gelangen, indem sie sich Flügel wie Dädalus und Ikarus gebastelt haben. Vornehm wie die Bewohner ist auch die Stadt, ihre weißen Wände suggerieren Marmor, die Kuppeln sind vergoldet. Hervorgehoben ist das Stadtzentrum mit einer prächtigen Kathedrale im Flamboyant-Stil.

 

Die beiden folgenden Miniaturen auf fol. 3v zeigen andere Versuche der Mönche: Zunächst wird versucht, mittels einer Leiter in die Stadt zu kommen. Die zweite Miniatur zeigt ebenfalls diese Leiter, doch der Mönch auf den Sprossen blickt nach unten, wo eine andere Methode mehr Erfolg verspricht: Ein Mönch eines anderen Ordens versucht dort, mit Hilfe einer Kordel in die Stadt zu gelangen. Weiterhin wird die Stadt konstant wie bereits auf fol. 3 dargestellt: Links und rechts Turmbauten, eine hohe Mauer dazwischen, im Hintergrund eine Kathedrale.

 

Auf fol. 4 sehen wir einen weiteren Versuch: Die Eindringlinge laufen nun nackt umher, was sinnbildlich dafür steht, dass sie ihre alten Gewohnheiten und Sünden abgelegt haben. Ihr Einschleichen wird aufmerksam von Petrus und einem Engel beobachtet, der auch schon auf den Miniaturen zuvor präsent war. Schwert und Schlüssel sind quasi die Garanten, dass nichts Unwürdiges in die Stadt gelangt. Von der Architektur ist hier mehr als zuvor zu sehen; die beiden Tore, die sich gegenüber stehen, haben extrem hohe Eingangspforten. Die zwei Nackten jedoch wählen einen engen Nebeneingang an der mittigen Stadtmauer. Dahinter zeigt sich mehr von der Stadt, neben der Kathedrale jetzt auch einfache Wohnbauten mit einem Kamin auf dem Dach – hier hat man es gut.

Bernard Gagnebin: L’enluminure de Charlemagne à François 1er. Manuscrits de la Bibliothèque publique et universitaire de Genève, Genève 1976.
Anne-Marie Legaré: Le Pèlerinage de Vie humanie en prose de la Reine Charlotte de Savoie, Passau 2004.

 

tags: Guillaume de Digulleville, Pélerinage, Bibliothek Tours, Spiegel, Flamboyant, Mittelalter, Leiter, Kordel
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