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MS Cod. Pal. Lat. 1969: Guillaume de Digullevilles Pélerinage (um 1370)

Eine Serie von Miniaturen des Himmlischen Jerusalem ist auch in der Ausgabe „Pélerinage de la vie humaine“ in der Universitätsbibliothek Heidelberg enthalten. Der Codex Palatinus Latinus 1969 stammt aus Toulouse, wo er um etwa 1370 hergestellt wurde und war einst in Besitz von Louis I. von Anjou (1339-1384). In die Heidelberger Humanistenbibliothek kam die Handschrift über die Herzogin Margarethe von Savoyen (1420-1479), die Ehefrau von Kurfürst Ludwig IV. von der Pfalz (1424-1449). Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Handschrift mit fast 4.000 weiteren Werken der Vatikanbibliothek in Rom inkorporiert, wo sie sich von 1623 bis 1797 befand; anschließend wanderte sie als Beute Napoleons nach Paris in die Französische Nationalbibliothek, bis sie 1815 als Ergebnis der Friedensverhandlungen wieder nach Heidelberg zurückgegeben wurde.
Miniaturen mit der Stadt finden sich auf fol. 1r, zwei Mal auf fol. 1v und weitere zwei Mal auf fol. 2r. Alle diese Miniaturen sind leicht bis mittelschwer beschädigt, vor allem die Türme der Stadt. Der Charakter der Malweise trägt noch die Handschrift der Gotik, gelegentlich verwendet der unbekannte Miniaturist einen einfachen, blattvergoldeten Hintergrund, häufig aber bereits den modernen gemusterten Farbhintergrund, wie es im 14. Jahrhundert beliebt wurde.
Fol. 1r stellt die Szene dar, in der eigentlich der Hauptperson die Stadt Jerusalem in einem Spiegel erscheinen sollte. Die Miniatur ist aber derart klein, dass der Maler stattdessen einen Engel vor einen Teil der blauen Stadtarchitektur gesetzt hat. Es ist die einzige mir bekannte Pélerinage, die ohne Spiegel auskommt. Auf dem folgenden Bild wird der städtische Charakter durch zahlreiche rosafarbene Türme und Zinnen noch deutlicher. 

 

Auf den folgenden Miniaturen (beide auf fol. 1v) beratschlagen sich die Mönche zunächst, wie man am besten in die Stadt gelangt, zunächst mit Federn als Vögel verkleidet. Die folgende Miniatur vereint dann zwei Versuche, die gewöhnlich auf zwei Bilder getrennt gezeigt werden: Links wird eine Leiter angesetzt, rechts eine Kordel geworfen. Meist wird das Himmlische Jerusalem mit einem Mauermittelteil, flankiert von zwei Türmen, gezeigt, von denen je links und rechts weitere Mauerteile schräg abfallen oder ansteigen – der Miniaturist ist bereits auf dem Weg, eine korrekte Perspektive von Architektur zu erzielen.

 

Es folgt fol. 2r, wieder mit zwei Miniaturen auf einem Blatt. Die erste setzt die Versuche der Mönche fort, in die Stadt zu gelangen. Wieder wird es mit einer Kordel versucht, doch nun erhalten die kleinen Mönche unten von einem großen Mönch oben Unterstützung. Die letzte Miniatur zeigt dann die Szene, auf der die Mönche ihre alten Kleider ablegen. Hier ist der Heilige Petrus mit dem Schlüssel in die Himmelspforte gesetzt worden, der den Zugang bewacht.

Rosemarie Bergmann: Die Pilgerfahrt zum himmlischen Jerusalem. Ein allegorisches Gedicht des Spätmittelalters aus der Heidelberger Bilderhandschrift Cod. Pal. Lat. 1969 ‚Pèlerinage de vie humaine’ des Guillaume de Déguileville, Wiesbaden 1983.
Sabine Morgen: Bildprogramm und Text. Zur Illustration des ‚Pèlerinage de vie humaine’ von Guillaume de Déguileville in den Handschriften Cod. Gall. 30 und Cod. Pal. Lat. 1969, Freiburg i. Br. 1993.
Veit Probst (Hrsg.): Guillaume de Digulleville: Le Pelerinage de Vie humaine – Die Pilgerreise ins Himmlische Jerusalem. Faksimile und Edition des altfranzösischen Textes mit deutscher Übersetzung, Darmstadt 2013.

 

tags: Gotik, Leiter, Kordel
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