
In den karolingischen Skriptorien war die Apokalypse ein Gegenstand, der ganz unterschiedlich ins Bild gesetzt werden konnte. Eine der bebilderten Handschriften entstand in der Abtei Saint-Amand. Heute wird sie im unweit gelegenen Valenciennes, einer französischen Stadt in der Region Nord-Pas-de-Calais, aufbewahrt. In der Darstellung verbinden sich biblische wie kosmisch-mystische Vorstellungen zu einem harmonischen Ganzen. Im Zentrum von fol. 38r schwebt das Christuslamm vor grünem Hintergrund. Es ist von zwölf konzentrischen Kreisen umgeben, die an den Regenbogen oder an kosmische Sphären erinnern. An den vier Himmelsrichtungen sind jeweils drei Tore angedeutet. Es sind lediglich gelbfarbene Blöcke, ohne jede Verzierung. Die Tore durchstoßen jedoch nicht den letzten, rotfarbenen Kreis, der die Stadt hermetisch abschließt. Sie ist des Weiteren von einem grünfarbenen Rechteck umschlossen, in dessen unterem Drittel links der Seher Johannes (leicht beschädigt) und rechts ein Engel zu sehen sind. Dazwischen hat man ein Zitat aus der Apokalypse eingeschoben (Kap. 21, 10). Ein weiteres Zitat findet sich im inneren Kreisbereich direkt über dem Christuslamm (Kap. 21, 23).
Eine Kopie der Ausgabe von Valenciennes wurde zu Beginn des 10. Jahrhunderts angefertigt, möglicherweise ebenfalls in der Abtei Saint-Amand. Heute befindet sie sich in der Französischen Nationalbibliothek Paris (Nouv. acq. lat. 1132, fol. 33r). Bei der Kopie wurde der Rahmen und der grüne Hintergrund im Zentrum weggelassen, dafür die zwölf Tore in unterschiedliche Farben gesetzt.
Carol Heitz: Recherches sur les rapports entre architecture et liturgie à l’époque carolingienne, Paris 1963.
Carol Heitz: L’architecture religieuse carolingienne, Paris 1990.
Apocalipsis de Valenciennes (MS 0099), Madrid 2009.