Stuttgarter Psalter (800-850)

Eine der wertvollsten Zimelien der Württembergischen Landesbibliothek ist der sogenannte „Stuttgarter Psalter“ (Signatur: Cod. bibl. 2° 23). Er entstand in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Das auf fol. 56r präsentierte Himmlische Jerusalem, welches hier einmal nicht in der Offenbarung des Johannes zu finden ist, wurde dem Psalm 43, 9 vorangestellt: „Der Herr hat des Tages verheißen seine Güte, und des Nachts singe ich ihm und bete zu dem Gott meines Lebens“.

Man sieht im oberen Bereich sechs Türme, dazwischen schräg gestellte Mauerteile, die wie aufgeklappt aussehen, da es dem Illustrator nicht gelungen ist, perspektivisch korrekt zu arbeiten. Zwischen den Türmen erscheinen die Köpfe von vier Heiligen. In der Mitte sitzt eine weitere Person, deren Identität nicht klar ist: Möglicherweise handelt sich um Johannes auf Patmos, was durch den Felsen angedeutet wäre. Auch als Prophetengestalt ist diese Person gesehen worden. Am wahrscheinlichsten ist die Deutung als Christus, der der eigentliche erste Fels ist, auf dem die Kirche fußt. Über ihn spannt sich ein halbbogenförmiger Nimbus oder eine Rahmung zum Eingang in die heilige Stadt. Der Sockel, der das Bild in zwei klar voneinander geschiedene Bereiche teilt, ist ein mehrschichtiges Fundament verschiedenfarbiger Edelsteine.
Gleich unter der Gottesstadt grenzt die Hölle an; die nach oben schlagenden Flammen gelangen direkt an das Fundament der Stadt. In fünf Öfen, die von geflügelten Teufeln eifrig mit einer Gabel angeheizt werden, schmoren arme Seelen ohne jede (?) Hoffnung. Die Zahl der fünf Verdammten korrespondiert mit den fünf Geretteten oben, die ihnen gegenübergestellt sind. Diese Darstellung spielt vermutlich auf die kurz zuvor erwähnten fünf gestürzten Könige an (Johannesoffenbarung Kap. 17, Vers 10) oder symbolisiert die fünfmonatigen Qualen (Johannesoffenbarung Kap. 9, Vers 5), die der fünfte Engel auf die Welt loslassen wird (Johannesoffenbarung Kap. 9, Vers 1-2).

Eine kleine Himmelspforte neben einer schrägen Himmelsleiter zeigt fol. 132r. Sie ist mit einem kunstvollen schmiedeeisernen Schloss versehen; ihre beiden Flügel sind geschlossen. Bemerkenswert sind die zwei horizontalen Balken, die unten einen violetten von einem grünen Bereich trennen. Ganz oben, in der himmlischen Sphäre, finden sich Wellen mit Abwandlungen dieser beiden Farbtöne.

Karl Löffler: Ein karolingischer Bilderpsalter, in: Zeitschrift für Bücherfreunde, N. F., 17, 1925, S. 83-95.
Ernest Theodore de Wald: The Stuttgart Psalter. Biblia folio 23, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Princeton 1930.
Donatien de Bruyne: Le psautier de Stuttgart (Landesbibliothek no. 23), in: Speculum, 7, 1932, S. 361-366.
Jakob Eschweiler: Illustrationen zu altlateinischen Texten im Stuttgarter Bilderpsalter, in: Colligere Fragmenta, Beuron 1952, S. 49-51.
Der Stuttgarter Bilderpsalter: Bibl. fol. 23 Württembergische Landesbibliothek, 2 Bde., Stuttgart 1965/1968.
Bertrand M. Maurice Davezac: The Stuttgart psalter. Its Pre-Carolingian source and its place in Carolingian art, Columbia University 1972.
Marie-Therese Gousset: La représentation de la Jerusalem céleste a l’époque carolingienne, in: Cahiers Archéologiques, 23, 1974, S. 47-60.
Helmut Boese: Zum Stuttgarter Bibelpsalter, in: Codices manuscripti, 6, 1980, S. 1-8.
Maria Luisa Gatti Perer (Hrsg.): La Gerusalemme celeste. Catalogo della mostra. Milano, Università Cattolica del S. Cuore 20 maggio – 5 giugno 1983, Milano 1983, S. 216-217.
Erich Zenger: Stuttgarter Psalter, Stuttgart 2005.
Grazia Maria Fachechi: Stairway to heaven. L’immagine di Christo, in: Rivista di Storia della Miniatura, 11, 2007, S. 31-38.

 

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