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Stuttgarter Apokalypse (12. Jh.)

Wie die meisten Apokalypsehandschriften entstand dieser Codex im monastischen Umfeld, nämlich in der Benediktinerabtei Zwiefalten. Heute befindet sich die Pretiose in der Württembergischen Landesbibliothek (Sig.: Cod. Brev. 128, fol. 9v und 10r). Die beiden Abbildungen sind den „Capitula“ vorangestellt, die neben dem Calendarium, den komputistischen Tafeln und den Benediktionen den eigentlichen Inhalt des Codex ausmachen. Es sind zwei von insgesamt vier gerahmten Miniaturseiten. Dabei wird deutlich, wie sehr diese Arbeit von bedeutenden Apokalypsehandschriften der Zeit, den Beatuskommentaren und der Liber-Floridus-Serie, abhängt (etwa Liber Floridus, HAB Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 1 Gud. lat. 2o, fol. 10v und 11r; Ende 12. Jh.).
Die Beischriften zu fol. 9v (Apokalypse Kap. 4, Vers 4; Kap. 4, Vers 5 und Kap. 5, Vers 8) unterstreichen nochmals die endzeitliche Aussagekraft dieser Miniatur. Der Bezug zur Jerusalemarchitektur wurde thematisiert durch eine Miniaturdarstellung in der Mandorla, die das Haus der Sapientia darstellt (vgl. auch Arras, Stadtbibliothek, MS 559, Bd. 3, fol. 1: Christus als Sapientia). Inmitten der Stadt thront Christus, über den sich rote und blaue Türme wie ein Baldachin spannen. Auf den Türmen sind Fenster eingearbeitet und, zu den Seiten Christi, jeweils ein Tor der Stadt.

Das folgende Blatt thematisiert, ähnlich wie viele Beatus-Handschriften, die vier Paradiesflüsse Gion, Fison, Tigris und Euphrat. Sie sind in Form eines lateinischen Kreuzes angeordnet und haben alle die eine Quelle und Mitte: Jesus Christus. Dieser, in Form des apokalyptischen Agnus Dei, ist von den vier Evangelisten umgeben. In den runden Eckmedaillons sind die Kardinaltugenden Prudentia (Weisheit), Justitia (Gerechtigkeit), Temperantia (Mäßigkeit) und Fortitudo (Tapferkeit) symbolisiert.

Karl Löffler: Schwäbische Buchmalerei in romanischer Zeit, Augsburg 1928.
Cod. brev. 128 Kollektar, in: Sigrid von Borries-Schulten (Bearb.): Die romanischen Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Teil 1: Provenienz Zwiefalten, Stuttgart 1987, S. 91-95.
Fernando Rigon: Arte dei numeri. Letture iconografiche, Milano 2006.
Barbara Obrist: Cosmological iconography in twelfth-century Bavaria, in: Studi medievali, 3. Ser., 48, 2, 2007, S. 543-574.

 

tags: WLB, Paradiesfluss, Kardinaltugenden; Benediktiner, Psalter, Gotik, Mittelalter, Weisheit
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