
Um das Jahr 1400 entstand eine französische Ausgabe der „Pélerinage de la vie humaine“, die heute in England zu finden ist, nämlich in der Oxforder Bodleian Library, unter der Signatur MS Douce 300 (erworben 1834). Die ganz in grau gehaltene himmlische Stadt wird einmal auf fol. 1r in Form einer Traumvision wiedergegeben, wie sie in einem runden Spiegel erscheint. Die Oberkante der blauen Bordüre verdeckt hier einen Teil der Stadt, so dass deutlich wird, dass diese Vision nur für den späteren Pilger gedacht ist. Die Stadt selbst, von der vor allem der Zugang ins Auge fällt, ist als Grisaille gehalten.
Fol. 4r zeigt die Stadt erstmals im Verlauf des eigentlichen Romans, als eine Himmelserscheinung, während der Pilger sie wieder nicht beachtet. Hatte er zuvor die Erscheinung im Bett verschlafen, ist er diesmal durch ein Gespräch mit einer Frau abgelenkt.
Auf fol. 5r erscheint die Stadt völlig anders. Sie ist farbig bemalt als Ansammlung mehrerer schmaler Türme, einem Sakraleingang mit Lamm und Kreuzesbekrönung (links außen) sowie vier orangefarbenen Fahnen im obersten Bereich, der bereits in den Text hineinragt. Die Pforte rechts scheint noch geschlossen zu sein. Davor empfängt eine Person mit einem prächtigen Bischofsstab den niederknienden Pilger. Ungeklärt sind die eigenartigen Hörner der Stadtbewohner, die an Wikingerhelme erinnern.
Otto Pächt, J. J. G. Alexander: German, Dutch, Flemish and Spanish schools, Oxford 1969.
Michael Camille: The illustrated manuscripts of Guillaume de Deguileville‘s Pelerinages (1330-1426), Cambridge 1985.
Michael Camille: Reading the printed image: Illuminations and woodcuts of the ‚Pelerinage de la vie humaine‘ in the fifteenth century, in: Sandra Hindman (Hrsg.): Printing the written word. The social history of books, circa 1450-1520, Ithaca 1991, S. 259-291.
Claus Bernet: Die Spiegelvision des Guillaume de Digulleville, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 35).