Melchor Pérez de Holguín (1660-1732): Weltgericht mit Himmelspforte (1708) und Maria Immaculata mit Himmelspforte (um 1720)
Melchor Perez Holguin (1660-1732) war zu seiner Zeit einer der bekanntesten Barockmaler Südamerikas. 1708 vollendete er ein imposantes Weltgerichts-Gemälde für die römisch-katholische Kirche San Lorenzo in Potosi. Das gut erhaltene Gemälde ist von hoher Qualität und Originalität. So findet man auf der linken Seite oben eine kunstvolle barocke Himmelspforte mit kolonialen Stilanklängen, beeinflusst von den älteren Rundtortürmen.
Der Bau ruht auf Säulen, denen mehrere Architrave aufgesetzt sind. Ungewöhnlich ist die flächige Farbgebung der einzelnen Bauteile, von oben nach unten: Goldgelb, Marinblau, helles Rot und abgedunkeltes Grün. Solche Formen und Farbeinteilung kennt man von keiner weiteren Darstellung der Himmelspforte aus dem 18. Jahrhundert. Bemerkenswert sind auch auch die zu dem Tor strömenden Mönche, die, wie Soldaten, in Schlachtordnung ihres Ordens (Benediktiner, Zisterzienser, Dominikaner, Franziskaner) marschieren, jedoch nicht in den Tod, sondern das ewige Leben. Eine eigene Gruppe bilden die Märtyrer mit roten Umhängen, unter denen auch Johannes der Täufer zu finden ist, neben vielen weiteren Heiligen, zum Teil mit ihren Attributen versehen. Einen weiteren Aufschluss würden die Fahnen geben, deren genaue Zuweisung noch aussteht.
Mario Chacón Torres: Arte virreinal en Potosi. Fuentes para su historia, Sevilla 1973.
Jose de Mesa, Teresa Gisbert: Holguin y la pintura a virreinal en Bolivia, La Paz 1977 (2).
Ilona Katzew (Hrsg.): Contested visions in the spanish colonial world, Los Angeles 2011.
Holguin hat kurz nach seinem Gemälde des Weltgerichts die Himmelspforte ein weiteres Mal dargestellt, diesmal im Rahmen eines Ölgemäldes der Maria Immaculata. Entstanden ist es um 1720 in Bolivien. Das insgesamt 143 x 106 Zentimeter große Objekt zählt heute zu den hervorragenden Werken des Geschichtsmuseums von New Mexico in Santa Fe (USA). Auch hier ist die helle, leichte Pforte in Tradition derer von Juan de Valdes Leal oben rechts in die Ecke gesetzt. Es sieht ganz so aus, als würde der Putto mit seinen Fingern neugierig die Pforte öffnen – der Barock liebte solche Spielereien. Vergleicht man beide Werke des Meisters, dann könnten die Darstellungsweisen nicht unterschiedlicher sein. Man würde kaum darauf kommen, dass sie von gleicher Hand entworfen wurden.
Josep Diaz, Suzanne Stratton-Pruitt: Painting the divine. Images of Mary in the New Word, Albuquerque 2014.
Melchor Perez Holguin hatte zahlreiche Schüler, arbeitete mit Kollegen zusammen und hatte Angestellte. In seiner Werkstatt entstand gegen Ende seines Lebens noch mindestens eine weitere Maria Immaculata, auch alternativ Tota Pulchra genannt. Diese, die auf ca. 1730 datiert wird, zeigt die Himmelspforte am oberen linken Bildrand. Wie häufiger, ist der obere Teil der Pforte durch Beschnitt, Rahmung und Abnutzung verloren gegangen. Auch auf dem Original ist die schwach aufgemalte Pforte, die sich zudem farblich kaum vom Hintergrund abhebt, schwer zu erkennen, zumal ihr ein Strauß Rosen vorgesetzt wurde. Durch einen Riss in der Leinwand ist die Pforte zusätzlich beschädigt. Sie ist Teil der Sammlung des Museums Pedro de Osma in Lima. Die Konzeption einer Pforte vor blühenden Rosen ist allerdings nicht in Holguins Werkstatt entstanden, diese gab es schon seit ca. einer Generation (siehe eine ähnliche Kombination von um 1680 in der Sammlung Joaquin Gandarillas Infante).
Beitragsbild: F. Kochen