Augustinus-Initialen mit dem Neuen Jerusalem (15. Jahrhundert)

Im 15. Jahrhunderts wurde es bei der Bebilderung der Schrift „De Civitate Dei“ beliebt, Johannes gegen den Kirchenlehrer Augustinus bzw. das Neue Jerusalem gegen die Civitas Dei auszutauschen. Vor allem in Italien und Frankreich scheint das beliebt gewesen zu sein, Belege aus England oder Skandinavien konnte ich nicht finden.
Ein frühes Beispiel stammt von Jacopo da Pergola (1450) und wird in der Biblioteca Malatestiana in Cesena aufbewahrt (MS D.IX.1). Auf fol. 15r ist in dem Buchstaben „G“ ein kleine Miniatur eingezeichnet: der gealterte Augustinus sitzt in einer komfortablen Schreibstube. Von außen sieht der Betrachter ein Himmlisches Jerusalem vor blauem Himmelsgrund, das Augustinus durch ein schmales Fenster seiner Stube erblickt. Im Vergleich zur prächtigen Schreibstube ist Jerusalem lediglich eine flüchtige Lichterscheinung. Interessant sind die goldenen Strahlen, die aus der Stadt bis zur Person des Augustinus führen. 

Meredith Gill: Augustine in the Italian Renaissance, Cambridge 2005. 

 

Eine Jerusalems-Darstellung in einer Augustinus-Handschrift ist in der Pariser Bibliothèque Saint Geneviève zu finden (MS lat. 218). Sie stammt von 1459 aus einer Ausgabe zur Civitate Dei, die auf eine Handschrift von Giacomo da Fabriano von 1456 zurückgeht. Sie wurde von Jean Gobelin kopiert und von dem Italiener Niccolo Polani (nachgewiesen 1459-1471) illustriert. Fol. 2 besteht aus zwei Teilen. Der untere Teil, die eigentliche Initiale zum Buchstaben „G“, zeigt den Gelehrten in seiner Studierstube. Über ihm erscheint ein zweites Bild, in dem die Stadt Rom unter Papst Nikolaus V. wiederzuerkennen ist: unter anderem sieht man die Engelsburg, die Trajanssäule und das Pantheon. Darüber schwebt in einem Tondo im Himmel die mit goldener Farbe skizzierte Gottesstadt. Die Bauten der Gottesstadt lehnen sich erneut an die Architektur Roms an, womit Polani Rom als irdische Kopie des Neuen Jerusalem andeutet.

George Wilson Pierson, Donald G. Wing: Archibald Hanna: Eight medieval manuscripts, in: The Yale University Library Gazette, 29, 1954, S. 99-114.
André Chastel: Un épisode de la symbolique urbaine au XVe siècle, in: Urbanisme et architecture, Paris 1954, S. 75-79.
Ann R. Meyer: Medieval allegory and the building of the new Jerusalem, Cambridge 2003.

 

Um 1479 erschien eine weitere bebilderte Ausgabe von „De Civitate Dei“. Die Illustration in den Maßen 40 x 28 cm, ebenfalls zu der Initiale „G“ auf fol. 1v, ist eine Verknüpfung der beiden kurz zuvor entstandenen Miniaturen Polanis und nimmt wieder Bezug auf da Pergola. Der unbekannte Maler zeigt hier Augustinus im Freien an seinem Schreibtisch. Sein Blick geht nach oben. Dort erscheint die vieltürmige Gottesstadt. Hier ist Florenz mit der Kuppel von Brunelleschi als Civitas Dei dargestellt. Dort, in Florenz, wurde die Illustration geschaffen, die heute in der New York Public Library aufbewahrt wird (Spencer collection, MS 30).

 

Das Neue Jerusalem konnte mitunter ganz klein in einer Initiale versteckt sein. Das hiesige Beispiel aus der Stadtbibliothek von Besançon (MS 173) ist wenig bekannt. Diese Ausgabe der Civitas Dei des Augustinus ist irgendwann im 15. Jahrhundert entstanden; über Herkunft und Entstehungshintergründe ist nichts bekannt. Die Initiale auf fol. 11 zeigt den Gelehrten in Bischofsornat. Mit dem Zeigefinger seiner linken Hand verweist er mit liebevollem Blick auf eine Miniaturstadt in seiner rechten Hand. Dieses Himmlische Jerusalem scheint eng und klein zu sein, ganz wie zeitgenössische Städte. Es wurde, ungewöhnlich für die Gottesstadt und vermutlich aus Platzgründen in dieser Position gewählt und, wie oftmals, als Hexagon gestaltet.

 

tags: Renaissance, Initiale, Aurelius Augustinus, Civitate Dei, Italien, Frankreich, Rom, Pantheon, Florenz, Brunelleschi, Dom, New York Public Library, Hexagon, Quattrocento
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