Romanischer Elfenbeinschrein (um 780)

Dieses Himmelstor gehört zu einer Elfenbeinarbeit, die das Jüngste Gericht zeigt (Gesamtgröße 13 x 8 Zentimeter). Das Kunstwerk der Romanik wird immer wieder als ältestes Beispiel dieses Motivs in der bildlichen Darstellung genannt. Es stammt wohl aus Süddeutschland oder Norditalien, wird aber heute in England, im Londoner Victoria and Albert Museum aufbewahrt (Inventarnummer 253-1867). Die näheren Umstände der Schnitzerei, also Auftraggeber, Künstler, Besitzer, bleiben im Dunkeln; die Ersterwähnung deutet auf Reims im 9. Jahrhundert. In dieser frühen Periode der Apokalypsenrezeption wurden die Geretteten noch nicht von Petrus, sondern von einem Engel im Torbogen empfangen. Die Gesichter wie auch andere Teile des Reliefs sind geglättet – mglw. handelte es sich um ein Berührungsreliquar oder das Kunstwerk war ständiger Berührung vorbeigehender Pilger oder Kanoniker ausgesetzt. Würde man nicht anhand der Figuren und der Position des Tors dieses als ein Himmelstor erkennen, würden keine architekturalen oder sonstigen Hinweise seine Funktion verraten. Auf der gegenüberliegenden Seite, durch einen Mondsichel ähnlichen Halbkreis getrennt, befindet sich die Hölle, die ebenfalls im oberen Bereich durch Mikroarchitektur zur Darstellung gebracht ist, im unteren Bereich durch ein Monster klar identifizierbar ist. Damit wird das Bild auch zu einem frühen Weltgericht, mit dem richtenden Christus und der Totenauferstehung oben. 

Pamela Sheingorn: ‚For God is such a doomsman’. Origins and development of the theme of Last Judgment, in: David M. Bevington u. a. (Hrsg.): Homo, memento finis. The iconography of just judgment in medieval art, Kalamazoo 1985.
Jonathan Alexander: The last things: Representing the unrepresentable. The medieval tradition, in: Frances Carey (Hrsg.): The Apocalypse and the shape of things to come, London 1999, S. 43-63.
Pippin Michelli: Beckwith revisited: Some ivory carvings from Canterbury, in: Catherine Karkow, George Brown (Hrsg.): Anglo-Saxon stylse, Albany 2003, S. 101-113.
Paul Williamson: Medieval ivory carvings. Early Christian to Romanesque. Victoria and Albert Museum, London 2010.

 

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