Josef Henger (1931-2020): Kirchentür von St. Benedikt in Jestetten (1964)

Jestetten unweit von Schaffhausen unmittelbar an der Grenze zur Schweiz hatte einst eine im Kern mittelalterliche Kirche, St. Benedikt. Aus Spekulationsgründen, Modernitätswahn und völlig überzogenen Gemeindewachstumsphantasien wurde dieser Bau ohne Notwendigkeit bis auf den Turm abgerissen und 1961/62 durch einen Billigbau im Stil standardisierter Supermärkte ersetzt. Für die Gestaltung des neuen Eingangsbereichs entschied man sich für den Bildhauer Josef Henger (1931-2020), der dem Bau zumindest etwas Qualität verleihen konnte. Henger hatte zwei Doppelflügeltüren zu gestalten und wählte, in Rücksprache mit der Kirchenleitung, das Thema des Himmlischen Jerusalem. Dazu fertigte er vier Türen aus Bronze an, die sich ihres Gewichts wegen kaum öffnen lassen und auch akustisch, etwa bei Kirchenmusik, problematisch sind. Auch energetisch sind die Bronzetüren heute ein Kostenfaktor, so dass man innen Glastüren vorsetzen musste. Aus diesen und anderen Gründen sind die Bronzetüren seit Jahren nicht mehr in Gebrauch, man betritt den Bau gewöhnlich durch einen schmalen Seiteneingang.

Während die äußere, rechte Tür nicht in die Bildgestaltung mit einbezogen wurde, hat der Künstler auf den anderen verbliebenen drei Türen die Tore des Himmlischen Jerusalem zu vier Dreiergruppen zusammengefasst. Sie sind als bogenförmige Kegel, die etwas an Schmuckformen des Art déco erinnern, nicht im Detail ausgebildet, und auch die zwischen ihnen laufende Stadtmauer ist lediglich durch eine Wölbung in der Bronzetür als vertikale und horizontale Linie schwach angedeutet. In der Mitte positioniert ist dagegen unübersehbar auf einem Altar, Thron oder versiegeltem Buch das Agnus Dei – ähnlich wie in der Dreifaltigkeitskirche in Ravensburg. Neben dieses hatte man eine kleine Mahntafel gesetzt, die an den schönen Vorgängerbau an diesem Ort erinnerte. 2005 war diese Tafel noch vorhanden, inzwischen wurde sie entfernt. Die drei parallel gesetzten, kleineren Einbuchtungen sind übrigens keine weiteren Tore, sondern die Türgriffe der jeweiligen Flügeltüren.

Rupert Leser (Bearb.): Josef Henger: Plastiken in Stein, Bronze, Aluminium, Bad Waldsee 1981.
Claus Bernet: Liturgica und Kirchenschmuck, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 12).

 

tags: Josef Henger, Baden, Tür, Allgäu
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