Josef Baron (1920-2020): Ehemalige Kirche Zur Heiligen Familie in Rhede (1965)
Anfang der 1960er Jahre schuf der Bildhauer Heinrich Gerhard Bücker (1922-2008) aus Vellern (ein Stadtteil von Beckum, NRW) in der römisch-katholischen Kirche „Zur Heiligen Familie“ in Rhede einen Tabernakel. Dessen blaugrüne Türe sollte ein Zelt andeuten, wie ja das Heiligtum ursprünglich in einem Zelt oder einer Hütte aufbewahrt wurde. Rund um diesen Tabernakel ist in vergoldeter Bronze das Himmlische Jerusalem mit seinen zwölf Toren dargestellt. Diese Umfassung des Tabernakels wurde Anfang der 1960er Jahre im Zuge von Umgestaltungen des Altarbereichs in Auftrag gegeben und 1965 von dem Maler und Bildhauer Josef Baron (1920-2020) aus Hemmerde gestaltet. Baron war, gemeinsam mit Joseph Beuys, Günter Haese und Joachim Bandau, Schüler von Professor Ewald Mataré (1887-1965), der wegweisend für den Expressionismus in der Bildhauerei war. Unter Anleitung von Mataré gestaltete Baron mit seinen Kommilitonen die Portale am Kölner Dom, später leitete er die komplette Kirchenausgestaltung der Basilika in Werl. In Rhede schuf er eine filigrane, zerbrechlich wirkende Skulptur. Wie bei einem Netz fügen sich die Tore der Stadt aneinander, horizontal wie vertikal. Die meisten Tore sind offen und lassen den weißen Hintergrund erkennen; in andere sind schmale Figuren eingesetzt. Ein Kontrast ergab sich vor allem zu der steinernen, dunklen und massiv wirkenden unverputzten Klinkerwand der Kirche.
Das Kunstwerk ist nach nur einer Generation an seinem ursprünglichen Standort nicht mehr zu finden. Die Kirche Zur Heiligen Familie wurde am 2. Januar 2022 „feierlich profaniert“ (obwohl es da wenig zum feiern gibt). Sie soll zu einem Behindertenheim umgebaut werden, erste Abbrucharbeiten, etwa am Turm, haben begonnen. Im Zuge der Auflösung als Gebetsraum konnten viele liturgische Geräte an andere Gemeinden abgegeben werden. Für den Tabernakel und seine Umfassung ist dies allerdings nicht gelungen, da beide Kunstwerke zusammen gehören und auch nur zusammen abgegeben werden sollen. Er befindet sich immer noch im Eigentum der Pfarrgemeinde St. Gudula in Rhede und wurde in Räumlichkeiten der Pfarrei provisorisch eingelagert.
Thomas Horschler: Schaffen für den Schöpfer. Konservativer Künstler Josef Baron, in: Heimatbuch Kreis Unna, 11, 1990, S. 83-86.
Kreisstadt Unna (Hrsg.): Josef Baron. 60 Jahre freischaffender Künstler in Unna, Bönen 2011.
Claus Bernet: Der Tabernakel und das Neue Jerusalem, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 34).