Zweiwegebild: „Die Wege zum Himmel und zur Hölle“ (1896)

Eine inhaltlich wie formal an Charlotte von Reihlen (1805-1868) angelehnte Arbeit ist ein US-amerikanisches Flugblatt aus dem Jahre 1896. Es erschien bei R. J. Stock in Cincinnati im Bundesstaat Ohio. Der Druck ist in hoher Auflage erschienen; die Farben sind sparsam eingesetzt, um das Blatt kostengünstig zu halten. Der Titel ist in deutscher wie englischer Sprache über die Zeichnung gesetzt: „The Roads to Heaven and Hell / Die Wege zum Himmel und zur Hölle“.
Das Himmlische Jerusalem ist hier durch eine schmale Pforte repräsentiert, durch die sich gerade ein Mensch zwängt, der das hölzerne Gatter zur Seite schiebt. Jerusalem befindet sich oben an der linken Seite des Blattes (die rechte Seite ist hier nicht abgebildet), die ansonsten bei Reihlen und den ihr nachfolgenden Arbeiten der Verdammnis bzw. der Hölle vorbehalten ist – offensichtlich war der uns unbekannte Lithograph wenig informiert oder er hat sich bewusst der Vorlage widersetzt. Über das Tor ist in einem Bogen ein erklärendes Bibelzitat gesetzt (Matthäusevangelium Kap. 20, Vers 16): „Viele sind berufen, aber wenige auserwählt“. Darüber erscheint über den Wolken eine Christusfigur ohne Unterleib, was etwas skurril wirkt. Weitere zweisprachige Zitate befinden sich an den Außenseiten der ansonsten einfach gehaltenen Stadtmauern, die nur am äußeren rechten Abschluss etwas Schmuck zeigen. Die Mauern haben vornehmlich die Funktion, wie auf einer Plakatwand der Schrift Raum zu geben.

Ungewöhnlich und bemerkenswert ist die extrem breite Straße, auf der sich die Menschen wie an einer Felswand nach oben mühen. Es sind aber nicht Arme, Alte und Ausgegrenzte, die hier dargestellt sind, sondern Bürger in guter Kleidung, während Obdachlose (links) bei einer Pause einschlafen und ihr Ziel aus den Augen verlieren.

Claus Bernet, Ingeborg Schmidt: Das Zweiwegebild, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 22).

 

tags: Zweiwegebild, USA, Neupietismus, Flugblatt, Pforte
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