Es ist kaum zu glauben, dass eine autokritische, ironische Zeichnung schon im Jahr 1939 erscheinen konnte, dazu in den USA und auch noch in einer adventistischen Jugendzeitschrift – ein, aus heutiger Sicht, wahrhaft prophetisches Bild! Vielleicht nahm man die Illustration deswegen in die religiöse Zeitschrift mit auf, weil ein Automobil auch 1939 zu den Objekten zählte, die Jugendliche besonders begehrten, manche vergötterten. Es sollten viele Jahrzehnte vergehen, bis Hermann Geyer den Automobilwahn erneut mit dem Neuen Jerusalem kritisch in Beziehung setzte, dann auf einem Glasfenster in Deutschland, ausgerechnet da, wo das Auto erfunden worden war.
Die frühe Zeichnung nimmt das Motiv des Zweiwegebildes mit auf: Ein schmaler, steiniger und gewundener Pfad, die „One Way Road“, führt nach oben, zum Himmlischen Jerusalem, welches als einfaches Tor (offen) gestaltet ist. Über diesem Haupttor steht: „ETERNAL LIFE“. Zu beiden Seiten schließen sich Mauern an, die durch horizontale Linien strukturiert sind. Ungewöhnlich ist, dass die Mauer links gerade, die Mauer rechts leicht nach hinten gebogen ist. Lichtstrahlen führen aus der Stadt in das Umfeld. Die Stadt steht hier einmal so hoch auf einem Berg, dass man nicht über die Mauern hinweg in das Innere sehen kann, Häuser, Türme oder andere Bauten sind nicht sichtbar, was für adventistische Arbeiten eine seltene Ausnahme ist.
In die Stadt kann man auf einem gewundenen Pfad zwischen Felsen nur zu Fuß gelangen, keinesfalls mit dem Auto, zumal wenn es am Heck noch wie folgt beschriftet ist: „Worldly ambitions selfish interests“ („Weltliches Streben, eigennütziges Interesse“). Zusätzlich werden der Fahrer und seine weibliche Begleitung von einem gestikulierenden Mann auf der Straße gewarnt, das Auto nicht zu fahren. Dennoch scheinen die beiden Personen nicht hören zu wollen; ihr Auto fährt weiter die breite Straße auf dem „Highway to hell“ nach unten geradewegs in die Hölle, wo im Hintergrund noch ein weiterer Wagen zur Hälfte zu sehen ist.
Signiert ist das Bild unten rechts mit „R. M. E.“, ein namentlich noch nicht entschlüsseltes Akronym eines talentierten Illustrators, der in den 1930er und 1940er Jahren öfters Zeitschriften der amerikanischen Adventisten ausgestattet hatte, nicht nur mit humoristischen Beiträgen. Diese Illustration erschien in der Zeitschrift „Youth’s Instructor“, Band 87, Nr. 14, Seite 7, sie wendete sich also an ein Publikum, welches größtenteils noch gar kein Auto besaß.
Roland E. Fischer: Eschatologie und Humor, in: Spes Christiana. Journal of the European Adventist Society of Theology and Religious Studies, 25/30, 1990, S. 85-98.
Niklaus Schefer: Philosophie des Automobils. Ästhetik der Bewegung und Kritik des automobilen Designs, München 2008.