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MS 76 E 6: Spiegelvision des Guillaume de Digulleville (um 1450)

Ein gewaltiger Standspiegel (rechts auf einer hölzernen Stele), in dem allerdings nichts (mehr?) zu erkennen ist, findet sich in einer niederländischen Ausgabe der Pélerinage, die aus der Königlichen Bibliothek zu Den Haag entnommen ist (Signatur MS 76 E 6). Sie dürfte in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden sein. Anstatt auf dem Spiegel, der eigentlich das Neue Jerusalem zeigen sollte, ist die Gottesstadt dafür auf fol. 1 im Hintergrund besonders detailreich ausgestaltet, etwa durch ein prächtiges Stadttor oder einen mit Fahnen und Wappen geschmückten Wehrturm. Zwar ist das Haupttor in die Stadt geöffnet, doch es wird von einem Engel mit einem erhobenen Schwert bewacht. Die Heiligen auf der Mauerkrone sind den Mönchen behilflich, auf Seitenwegen doch noch in die rettende Stadt zu gelangen. Ein Mönch wird an einer Kordel nach oben gezogen, einem anderen wird mit einer Leiter geholfen. Ein anderer Heiliger links außen ist relativ unbeteiligt und füttert Tauben. Möglicherweise sind die harmlosen Tauben aber verwandelte Mönche, die versuchen, in die Stadt einzufliegen. 
Szenen, die früher auf mehreren Miniaturen verteilt waren, sind in dieser Ausgabe in ein einziges Bild gefasst worden. Der Pilger, der in seinem voluminösen und vor allem luxuriösem Bett mitten im Freien ruht, scheint von dem bunten Treiben um ihn herum nichts mitzubekommen. Wir dagegen sehen die Szenen, die ihm im Roman im Traum erscheinen.

Ingrid Erica Biesheuvel: Die pelgrimage van der menscheliker creaturen. Een studie naar overlevering en vertaal – en bewerkingstechniek van de Middelnederlandse vertalingen van de Pèlerinage de vie humaine (1330-1331) van Guillaume de Digulleville met een kritische editie van handschrift Utrecht, Museum Catharijneconvent BMH 93, Hilversum 2005.
Jos M. Bigus: Unveiling a codex. A case study on a Middle Dutch composite manuscript and its content, Utrecht 2010.

 

tags: Guillaume de Digulleville, Spiegel, Bett, Gotik, Mittelalter
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