Robert Wehrlin (1903-1964): Französisch-reformierte Kirche in Winterthur (1956)
Auch in der Schweiz gibt es, wenngleich selten, ältere Glasfenster mit dem Motiv des Himmlischen Jerusalem. Einerseits hat dort die reformierte Kirche über Jahrhunderte nicht so farbenprächtige Fenster hervorgebracht wie andere Glaubensgemeinschaften, andererseits hat sich in den 1950er Jahren langsam doch das Bedürfnis nach farbigen Fenstern durchzusetzen begonnen. So mag es verwundern, dass die ältesten Fenster der Schweiz mit dem Jerusalemmotiv nicht älter als 1956 bzw. 1960 sind (eine ältere Arbeit von 1647 aus Zürich ist heute allerdings im Louvre zu finden). Ein erster Entwurf zu einem Jerusalemsfenster aus dem Jahr 1956 stammt von dem Expressionisten Robert Wehrlin (1903-1964), der in Winterthur geboren wurde. 1958 wurde das Fenster dann hergestellt und in die französisch-reformierte Kirche seiner Heimatstadt eingebaut (nicht zu verwechseln mit der evangelisch-reformierte Stadtkirche in Winterthur). Es gehört zu einem Apokalypsezyklus, bestehend aus acht Fenstern.
Das Fenster „Himmlisches Jerusalem“ befindet sich darin vorne links neben dem Altar. Es zeigt im oberen Bereich eine Ansammlung von spitzen, hellblauen Bauten, die sich farblich kaum differenzieren, wodurch ein kristalliner Eindruck entsteht, was laut Wehrlin auch genau so angedacht war. Die Bauten ruhen auf einem dunkelroten Farbstreifen, über dem ein Kreis (eine Perle) schwebt, darunter hat der Künstler ein goldfarbenes Tor gesetzt. Die Bleifassungen zwischen den Scheiben sind relativ breit und rustikal gearbeitet, so dass der Eindruck von Alter und Handwerklichkeit erzeugt wurde, ein Technik, die Wehrlin auch anderswo anwandte.
Walter Linck, Robert Wehrlin: Ausstellung im Kunstmuseum Winterthur, 14. Okt. – 18. Nov. 1956, Winterthur 1956.
Robert Wehrlin: 1903-1964; Gedächtnisausstellung Kunstmuseum Winterthur, 14. März – 19. April 1965, Winterthur 1965.