Bei dieser Himmelspforte schwebt der Heilige Petrus wie eine männliche Schutzmantelmadonna über den Geretteten, sein gelbes Gewand scheint die nackten Menschen zu umfangen und von der bösen rechten Seite abzuschirmen. Mit einem übergroßen erhobenen Schlüssel in seiner rechten Hand begrüßt er die Ankommenden. Während Petrus übergroß und bekleidet wiedergegeben ist, erscheinen die meisten Ankommenden klein und nackt. Das hat auch damit zu tun, dass nach biblischer Angabe die Bewohner und Bewohnerinnen des Himmlischen Jerusalem mit neuen Kleidern ausgestattet werden. Die Personen weiter rechts sind übrigens bekleidet, doch hier scheint es noch das Leichentuch zu sein.
Die Figuren werden von einem großen Engel an die gotische Pforte links im Hintergrund geleitet. Aus der leuchten bereits goldene Strahlen hervor, wie man es von Fra Angelico oder Ottaviano Nelli inzwischen gelernt hatte. Es ist ein schmaler Rundbogen, dem lediglich oben einige gotische Maßwerkstreben aufgesetzt sind. Nach unten ist der Bau mit einem mäandernden Wolkenband abgeschlossen, wie es typisch für die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts ist. Untypisch erscheint hingegen die Rahmung, die aus der Zeit der Freilegung stammen wird. Überhaupt ist dieses Fresko großzügig überarbeitet und in Teilen rekonstruiert worden, was auch nicht anders machbar ist, will man den Betrachtern überhaupt ein lesbares Bild bieten. Es sollen schließlich in erster Linie Werke für Gläubige, nicht für Kunstexperten sein. Wie gänzlich unbearbeitete Malereien aussehen, kann man auf der gegenüber liegenden Wandseite erfahren. Dort hat man bewusst ein Stück einer spätmittelalterlichen Stempelmalerei lediglich freigelegt, aber nicht weiter bearbeitet. Wäre man so mit dem Weltgericht verfahren, würde man so gut wie nichts erkennen.
Man findet die qualitativ hochwertige Malerei dieser traditionell gehaltenen Weltgerichtsdarstellung an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs der römisch-katholische Pfarrkirche Sankt Nicolai in Kalkar bei Kleve am Niederrhein. Dort wurde sie um 1450 angebracht, um schon nach wenigen Genrationen wieder unter Putz zu verschwinden. Wie so oft kennt man weder die ausführende Malerschule noch an ihr beteiligte Künstler mit Namen; alles fand anonym und, so möchte man meinen, geradezu im Geheimen statt.
Heinrich J. Schmidt: St. Nicolai zu Kalkar: Ein Rundgang, Kalkar 1968.
Guido de Werd: Die St. Nikolaikirche zu Kalkar, München 1986 (2).
Hans Peter Hilger: Stadtpfarrkirche St. Nicolai in Kalkar, Kleve 1990.