Selbst in Karnern, also einem Beinhaus (lat. Ossarium oder Ossuarium), das zur Aufbewahrung von Skeletten bestimmt ist, finden sich Darstellungen des Neuen Jerusalem, wie dieses Beispiel aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhundert belegt. Es handelt sich um ein Wandgemälde in einem Karner der katholischen St. Stefan-Kirche in Völkermarkt (Kärnten).
Dieser Karner ist ein frühgotischer Rundbau mit Strebepfeilern, Lanzettfenstern und einem spitzbogig profilierten Portal. An der Südseite ist ein Jüngstes Gericht als Wandfresko zu sehen. Die Stadt ist dabei oben links dargestellt, über einem mäandernden Wolkenband, was typisch für spätmittelalterliche Darstellungen ist. Darüber sind Mauerpartien ohne Zinnen und unterschiedliche Türme gesetzt, ihre weiße Farbe soll an Marmor erinnern. Allein der rechte Rundturm ist etwas größer und wehrhafter; es besitzt Zinnen und ein Fenster, in welches eine Schießscharte eingefügt ist. Alles ist in weißgrauer Färbung gehalten und soll Marmor imitieren.
Links befindet sich eine Schar von Geretteten und einige Engel, rechts hingegen nicht etwa Christus, sondern Gottvater, der einen Geretteten segnet oder auch tauft. Christus wurde bereits in der Mandorla präsentiert, die ansatzweise rechts zu sehen ist. Im oberen Bereich ging dieses Jerusalem leider verlustig.
Der Karner der St. Stefanskirche in Niedertrixen bei Völkermarkt, in: Carinthia, 1, 88, 1898, S. 193.
Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Kärnten, Wien 2001.
Wilhelm Deuer: Jauntaler Kulturwanderungen, Klagenfurt 2001.
Claus Bernet: Neues Jerusalem in Österreich, der Schweiz und der Alpenregion. Ein Kunstreiseführer, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 18).