Aus dem 15. Jahrhundert stammt die Wandmalerei der Waltham-Abtei im kleinen Ort Waltham Abbey im englischen Essex. Diese Abtei der Augustinermönche war ein beliebter Übernachtungsort für Könige und andere Adelige, bis sie 1540 in den Wirren der Reformation und Revolution aufgelöst wurde. Heute ist die einstige Abteikirche eine anglikanische Pfarrkirche. In dem Gebäude hat sich auf der Ostwand der Marienkapelle ein großflächiges Weltgericht erhalten. Es wurde Jahrhunderte nach Errichtung des Kirchenbaus eingefügt und zeigt auf der linken Seite das Himmlische Jerusalem. Die Malereien wurden von dem Architekten William Burges 1876 entdeckt, anschließend freigelegt und 1964 restauriert. Da man die ursprüngliche Malerei nur in Resten vorfand, hat man großflächig monochrom eingefärbt: die Architektur einheitlich rot, die Figuren weißlich, den Papst grünlich usw. Der Zustand nach Freilegung lässt die kompositorische Grundstruktur noch erkennen: Ein mächtiger Torturm läuft nach oben hin in eine Dachlandschaft aus, die mit mehreren Türmchen samt lateinischen Kreuzen abschließt. Es sind miniaturistische Anklänge im Flamboyant-Stil. Links des Torturms fügen sich Bauten an, man erkennt noch mehrere Reihen mit rechteckigen Fenstern, vielleicht ein Kirchenschiff? Die Pforte des Torturms steht zur Hälfte offen. Davor steht Petrus in einem auffällig prächtigen Gewand, das eines Königs würdig ist. In der einen Hand hält er den Schlüssel zur Pforte, mit der anderen begrüßt er einen Geistlichen als ersten Geretteten. Daneben steht ein Kardinal in rotem Gewand. Hinter diesen beiden Hauptpersonen haben sich mehrere nackte Menschen versammelt, die gerade aus den Gräbern auferstanden sind. 

 C. B. B.: Waltham Abbey Church, St. Albans (1930).
James Bettley, Nikolaus Pevsner: The buildings of England, Yale 2007.
Claus Bernet: Torszenen, Himmelspforten, Porta Coeli, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 11).