Spiegelvision des Guillaume de Digulleville: MS Germ. Fol. 624 (1479)

Eine der schönsten Miniaturen der „Pélerinage de la vie humaine“ stammt von Guillaume de Digulleville (auch Déguileville, 1295-1358) befindet sich unter der Signatur MS germ. Fol. 624 in der Staatsbibliothek zu Berlin. Die erste urkundliche Erwähnung für diese mittelhochdeutsche Ausgabe „Pelgrimagie der menschelycke nature“ stammt aus dem Jahre 1479 in Gent, wo das Werk kurz zuvor vermutlich angefertigt wurde. Es ist mit 68 hervorragend erhaltenen Miniaturen eine der Pretiosen der Staatsbibliothek zu Berlin, deren daran beteiligen Künstler wir namentlich leider nicht kennen. Dem oder den Miniaturisten ermangelte es jedoch etwas an Kreativität, denn die Stadt ist auf fünf von insgesamt sechs Abbildungen im Prinzip kaum verändert dargestellt. Stets ist eine rund Stadt mit niedrigem roten Ziegelmauerwerk zu sehen. Davor stet stets ein roter Wächterengel (genaugenommen ein Seraphim) vor einem zentralen Eingangstor der Stadt. In dieser sieht man romanisch anmutende Bauten, zahlreiche Wohnbauten und stets mindestens einen Turm, was immer wieder neu arrangiert wurde. Vor der Stadt trifft der Pilger ein. Er steht dem Engel direkt gegenüber. Der Pilger hält seinen Pilgerstab so, als würde er mit dem Schwert des Engels kämpfen, nur auf einer Szene liegt der Stab am Boden.
Die erste Miniatur auf fol. 2 zeigt die für das Werk zentrale Spiegelszene, bereits hier in dem Dekor, wie es noch fünf Mal gezeigt wird. Dann folgt eine weitere Miniatur auf fol. 1, sowie zwei Abbildungen auf fol. 2 und zwei weitere Abbildungen auf fol. 2v.

 

Adriaan Meijboom (Hrsg.): Die Pilgerfahrt des träumenden Mönches, Bonn 1926.
Bijlokemuseum Gent (Hrsg.): Gent. Duizend Jaar Kunst en Cultuur, 21 Juni – 31. August 1975, Gent 1975.
Zimelien. Abendländische Handschriften des Mittelalters aus den Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin, Wiesbaden 1975.
Ingrid Biesheuvel: Meddelnederlandse pelgrimages, hoe ver en waarheen? In: Peter de Wilde (Hrsg.): Op reis met memoria, Hilversum 2004, S. 37-49.

 

tags: Spiegelvision, Spätmittelalter, Pilger, Gent
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