Petrus Canisius (1521-1597) war der erste deutsche Jesuit und Begründer der römisch-katholischen Katechismen, Handbücher von Unterweisungen in den Grundfragen des christlichen Glaubens nach Sicht der katholischen Kirche. Im Jahr 1614 brachte man in Augsburg, einem Zentrum der europäischen Kupferstechkunst, einen hochwertigen Bilderkatechismus heraus. Der Kupferstich mit dem Himmlischen Jerusalem (S. 111, 8,6 x 6 Zentimeter) stammt von dem Kölner Künstler G. C. Stich.
Im oberen Teil ist eine Himmelserscheinung zu sehen: Zwischen den Wolken blicken mehrere Engel neugierig, vielleicht auch erschrocken, auf das irdische Geschehen, wo in einer Schlucht ein heimtückischer Anschlag auf einen König verübt wird. Gezeigt wird also, wie man sich als Sanftmütiger nicht verhalten soll, wie auch in den anderen Szenen zu den Seligpreisungen gerade das unerwünschte Verhalten ins Bild gesetzt wird.
Obwohl sich hier vielleicht eher die Hölle auftun sollte, zeigen sich hinter den Engeln mehrere Bauten des Himmlischen Jerusalem. Es ist eine der Darstellungen der Gottesstadt ganz ohne Mauer, Türme und Tore, allein von Wolken umschlossen. Auch hier finden wir den geradezu obligatorischen Kuppelturm, der die Grabeskirche Jerusalems markiert.
Mit der Konzeption von 1614 war man offensichtlich zufrieden, sie wurde zwei Generationen später nochmals verwendet, nämlich in einer Kölner Edition aus dem Jahre 1679. Diesmal jedoch wurde der Stich auf Seite 113, bewusst oder aus Versehen, spiegelverkehrt gesetzt. Dies kann wohl kaum mehr der besagte G. C. Stich veranlasst haben, sondern ein anderer, nicht bekannter jüngerer Künstler, der für die 1679er Ausgabe einen neuen Kupferstich anfertigte, der sich in Nuancen von seinem Vorgänger unterschied. Offensichtlich kam man in Köln nicht an die originalen Platten heran, so dass man neue Bilder stechen lassen musste, die sich eng an die Vorlagen hielten.
Otto Braunsberger: Entstehung und erste Entwicklung der Katechismen des seligen Petrus Canisius aus der Gesellschaft Jesu, Freiburg im Breisgau 1893.