Sigmund Hahn (1929-2009): Wandgestaltung der St. Lukaskirche in Berlin (1954)
Die Inhalte der Reliefs gehen auf Bild- und Textmaterial des gebürtigen Berliners Sigmund Hahn (1929-2009) zurück. Der damalige Berliner Landeskonservator Hinnerk Scheper (1897-1957), der Architekt Georg Thofehrn (1878-1963) und Pfarrer Herbert Kitscha (geb. 1906) mit dem Gemeindekirchenrat entschieden sich 1954 einstimmig für den Künstler Hahn, der sich erinnerte: „Der Auftrag für diese Kirche hat mich besonders gefreut, ich kannte den Bau von Besuchen mit meinem Vater. Wie durch ein Wunder ist die Kirche relativ wenig beschädigt, so dass eine Weiternutzung möglich war. Die Arbeiten waren damals ein Politikum, der Bau lag direkt an der Ostzone, wo bald die Mauer stehen sollte. Hätte ich das damals gewusst, hätte ich das Motiv der Mauer vielleicht anders thematisiert; damals wollten wir eine freie, freundliche, aufgelockerte Stadt zeigen, die sich nicht aufdrängt, sondern mit der Landschaft eine Einheit bildet“.
Sigmund Hahn hat für seine Wandarbeiten an der evangelischen St. Lukas-Kirche Berlin-Kreuzberg sogleich den Kunstpreis der Stadt Berlin erhalten. Dort waren die Maurer noch auf dem Bau und legten die verschiedenen Putzschichten in Sgraffito auf das Gemäuer. Dies war in der Nachkriegszeit eine alte, auch preiswerte Technik, die bei dem Wiederaufbau des zu siebzig Prozent kriegszerstörten Baus angewendet wurde. Hahn zeichnete spontan originalgroße Kartons, und nach diesen wurden die Konturen in die Wände geschnitten. Auf dem Sgraffito kniet Johannes der Seher bei dem Engel und hört von der Geometrie und der Mystik der Zahlen, während im Hintergrund ein Teil der Gottesstadt erscheint. Es sind offene Tore, auf denen die Umrisse von Engelsfiguren gesetzt sind. Im Vordergrund sind Wege, im Hintergrund Hügel angedeutet. Schatten sind mit grauer Farbe hinterlegt, ansonsten wurde ausschließlich ein starkes Dunkelrot verwendet. Heute steht das Kunstwerk längst unter Denkmalschutz und gilt als ein Beispiel für den Wiederaufbau in der besetzten Stadt. Die Ausführungen sind betont bescheiden, von der einstigen Glorie, Pracht und Macht wollte man erst einmal nichts mehr wissen.
Georg Friedrich Büchner: Sigmund Hahn 60 Jahre alt, in: Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft, 39, 1986, S. 161-162.
Gemeindekirchenrat der Evangelischen Dreifaltigkeits- und St. Lukas Kirchengemeinde (Hrsg.): Aus der Geschichte der evangelischen Dreifaltigkeits- und St. Lukas Kirchengemeinde Berlin Kreuzberg 1737-1987, Berlin 1997.
Sigmund Hahn: Zeichnungen aus den späten 40er Jahren. 11. Juli – 30. August 2008. Galerie Taube, Berlin 2008.