Romanische Tabernakel aus Limoges (1200-1210)

Tabernakel, die das Himmlische Jerusalem thematisieren, hat es im Christentum vielleicht schon immer gegeben. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel hat sich aus Limoges in Okzitanien (Haute-Vienne) erhalten, wo damals solche Kästchen in Serie gefertigt wurden. Dieses Exemplar gehört zu den früheren Exemplaren, die sich erhalten haben, heute ist es das weltweit älteste Tabernakel, welches das Neue Jerusalem zeigt. Es wurde aus acht Kupferplatten bereits um 1200 angefertigt, seit 1914 befindet es sich in der Dauerausstellung des Museum Louvre in Pari (Inventarnummer OA 8984).

Das kleine Kästchen aus vergoldeter Emaille ist bereits in seiner Grundstruktur annähernd als Kubus gestaltet. Es hat die Größe von 28 Zentimetern in der Höhe, 17 Zentimetern in der Breite und 10 Zentimetern in der Tiefe. Eine Seite zeigt Petrus oder auch Christus mit den Schlüsseln zum Himmelreich in seiner rechten Hand, in der anderen die Bibel. Eine Besonderheit ist der Kopf, der plastisch aus dem Profil gearbeitet und dem eingravierten Rumpf aufgesetzt wurde. Die Petrusfigur sitzt auf einem Regenbogen, was eigentlich typisch ist für Christus ist, der auf dem Tabernakel auf einer anderen Seite dargestellt wird. Dies zeigt, dass Attribute nicht eindeutig bestimmten Heiligen zugeordnet werden können, sondern auch wechseln. Die Figur sitzt in einem Tor zum Himmlischen Jerusalem, mit einem Wächterengel in der dreieckigen Dachzone darüber. Das Tor ist zeittypisch als Arkade dargestellt, man kann sogar Einzelheiten wie die Dachschindeln oder Steine des Mauerwerks erkennen. Die Architektur der französischen Romanik verdichtet sich an den Seiten zu jeweils einem niedrigen Turm. Von dort geht auch der Bogenansatz für die nächste Arkade aus, was aber an den umliegenden Seiten des Kunstwerks nicht wieder aufgenommen wurde.

 

Tabernakel dieser Art wurden in Limoges in Serie produziert und gelangten bis in ferne Regionen. Sie begründeten und popularisierten die Tradition, auf diesen Objekten das Neue Jerusalem zur Darstellung zu bringen. Eine Fassung aus gleicher Zeit befindet sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York, es kam ursprünglich natürlich aus Europa: Man hat den Tabernakel im 19. Jahrhundert in Prag auf dem Bethlehemplatz an der Stelle einer romanischen Kirche gefunden, 1941 wurde das Objekt von dem Bankier und Kunstsammler George Blumenthal dem Museum vermacht. Mit den Maßen von 32 x 16 x 17 Zentimeter ist es ähnlich groß wie der oben vorgestellte Tabernakel, wurde aber geringfügig einfacher gearbeitet. So sind hier die Köpfe von dem Heiligen oder dem Engel nicht als Relief aufgesetzt. Deutlichster Unterschied in der Konzeption ist, dass die Heiligenfigur hier nicht auf einem Regenbogen, sondern einem Thron sitzt.

Elisabeth Taburet-Delahaye: L’oeuvre de Limoges. Emaux limousins du Moyen Age, Paris 1995.
Paola Venturelli: Gli smalti dipinti Limoges, Mantova 2010.
Michael Peter: Mittelalterliche Emailarbeiten aus Limoges, Riggisberg 2011.

 

tags: Tabernakel, Mittelalter, Romanik, Paris, Okzitanien, Haute-Vienne, Emaille, Petrus
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