Tafelmalerei aus Kloster Ottobeuren: „Der Mensch am Scheideweg des Lebens“ (um 1620)

Im römisch-katholischen Benediktinerkloster Ottobeuren, unweit von Memmingen in Bayern, ist im Kreuzgang eine allegorische Tafel aufgestellt. Sie ist Teil der Buxheimer Kunstsammlung. Es handelt sich um eine Ölmalerei, die ein unbekannter Künstler um 1620 geschaffen hat. Man gab ihr den Titel: „Der Mensch am Scheideweg des Lebens“.

Es ist eigentlich ein Zweiwegebild: Menschen bewegen sich auf einem Pfad nach oben, der links zu einer zerstörten Stadt und rechts zum Himmlischen Jerusalem abbiegt. In das gelangt man über eine Zugbrücke am linken äußeren Torturm.
Ungewöhnlich ist die Positionierung Jerusalems auf der rechten Seite, wo üblicherweise die Hölle dargestellt ist. Die Stadt ist von einer starken Mauer umgeben, an jeder Seite befinden sich drei massive Tortürme mit Engeln besetzt. Ein weiterer Engel fliegt mit einem Lorbeerkranz und einer Krone über der Stadt. Beide Attribute sind für die Märtyrer gedacht, die in dieser Stadt wohnen werden. Allerdings ist von den Bewohnern oder Bewohnerinnen noch nichts zu sehen. Im Inneren kann man stattdessen individuell unterschiedliche Bauten, auch Kirchen, ausmachen. Überschrieben ist das Ganze mit „Oculus non uidit“ nach 1. Korinther Kapitel 2, Vers 9, vollst.: „Kein Auge hat gesehen und kein Ohr gehört was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“. 

Ulrich Faust, Rupert Prusinovsky: Die Buxheimer Sammlung der Abtei Ottobeuren, in: Diess.: Das Buxheimer Chorgestühl, München 1994, S. 105-130.
Claus Bernet: Große Künstler, großartige Kunst, Norderstedt 2020 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 48).

 

tags: Benediktiner, Kloster, Allgäu, Zweiwegebild, Renaissance
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