Sarkophag aus S. Ambrogio in Mailand (380-390)

Mit dem Sterben beginnt das neue Leben im Himmlischen Jerusalem. Nicht zufällig entstanden daher die ersten Darstellungen des Himmlischen Jerusalem im Zusammenhang mit dem Tod, nämlich als Fresken in römischen Katakomben, in Mausoleen und in Form von Sarkophagen. Architekturdarstellungen sind bei Sarkophagen keine Seltenheit, denn letztlich ist auch ein Sarkophag nichts weiter als eine Architekturform, sozusagen das letzte Haus, welches man bewohnt. Von daher ist es nicht immer einfach festzustellen, ob und wann mit Architekturzitaten auf das Himmlische Jerusalem Bezug genommen wurde. Bei dem Sarkophag aus S. Ambrogio ist das zweifelsohne der Fall. Bedeutend ist er auch, weil er in Folge an mehreren Orten kopiert wurde, so in Rom (dort der Sarkophag „La Remise de la Loi“, Ende 4. Jh., Louvre), dann auch in Ancona, Tolentino, Ravenna und Mantua.
Das prunkvolle Mailänder Kunstwerk stammt aus der Zeit von 380/90, also lange nach der Mailänder Vereinbarung von 313, die das Ende der Christenverfolgung markiert. In den folgenden Jahren bildete sich ein immer prächtigerer Bestattungskult aus, mit dem vor allem wohlhabende Familien ihre Zugehörigkeit zur nun dominierenden Religion zum Ausdruck brachten. So wird der Sarkophag auch nach einer bedeutenden Familie der Stadt als Stilicho-Sarkophag bezeichnet, obwohl dessen bedeutendster Vertreter, Flavius Stilicho, erst lange nach Fertigstellung des Sarges in Ravenna hingerichtet und bestattet wurde.
Eine der angesehensten Grabstätten Mailands war seinerzeit die Kirche S. Ambrogio, in der der Sarg noch heute in einer breiten Emporenhalle steht. Er dient als Podest einer römischen Kanzel. Der Sarkophag ist von vier Seiten mit Reliefs überzogen, die Christus mit seinen Aposteln im Himmlischen Jerusalem zum Thema haben. Die Schauseite zeigt Christus, wie er Petrus eine Schriftrolle überreicht (Apostelgeschichte 5, 1-2). Je sechs Apostel stehen an den Seiten zu Christus, hinter ihnen erheben sich die Tore der Gottesstadt. Es sind keine Arkadenbögen, sondern eindeutig Stadttore, die unterschiedlich gearbeitet sind.
Von Interesse ist vor allem der Fries am Fundament des Sarkophages. Hier sind zwölf Lämmer dargestellt, die einem zentralen Lamm in der Mitte entgegen gehen, das leicht erhöht auf einer Anhöhe steht. Damit ist innerhalb des Lämmerfries der Zionsberg vorgebildet. Links und rechts wird eine winzige Architektur angedeutet, zwei Stadttore. Eines steht für Jerusalem, das sich vor allem in Kirchenmosaiken ab dem 5. Jh. immer mehr zu einem prächtigen Himmlischen Jerusalem entfalten sollte, das andere symbolisiert Bethlehem.

An der Rückseite des Sarkophags findet sich eine Variante dieses Motivs: Auch hier ist im Zentrum Christus dargestellt, von zwölf Aposteln umgeben, zu den Füßen Schafe. Hier sind es im Hintergrund allerdings nur vier Tore. Weitere vier befinden sich auf einem der Seitenreliefs, das die Opferung Isaaks darstellt. Das andere Seitenrelief zeigt die Himmelfahrt Elias, eine Präfiguration der Himmelfahrt Christi. Diese Seite fügt nochmals vier Tore hinzu, so dass die Gesamtzahl der Tore 18 beträgt.

Marion Lawrence: City-gate sarcophagi, in: Art Bulletin, 10, 1927, S. 1-45.
Hanns Ulrich von Schoenebeck: Der Mailänder Sarkophag und seine Nachfolge, Città del Vaticano 1935.
Rina Sansoni: I sarcofagi paleocristiani a porte di città, Bologna 1969 (Studi di antichità christiana, 4).
Carlo Capponi, Annamaria Ambrosioni: La Basilica di Sant’Ambrogio in Milano. Guida storico-artistica, Milano 1997.
Thilo Ulbert (Hrsg.): Repertorium der christlich-antiken Sarkophage, 2, Berlin 1998.

 

Beitragsbild: G.dallorto, 9807 – Milano – Sant’Ambrogio – Pergamo (secc. XI-XII) – Foto Giovanni Dall’Orto 25-Apr-2007, CC BY-SA 2.5 IT

tags: Grabkultur, Sarkophag, Mailand, Italien, Lombardei, Lämmerfries, Antike
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