Deutlich an die steinerne Darstellung der Maria Immaculata aus der Kapelle Des Fonts der Abtei Sainte-Trinité in Fécamp (um 1495) lehnt sich ein ebenfalls koloriertes Relief an, welches 1511 unter Pierre des Aubeaux in der Collégiale Saint-Gervais Saint-Protais geschaffen wurde. Dieses Collégiale Saint-Gervais Saint-Protais ist ein römisch-katholisches Kollegiatstift in der Gemeinde Gisors in der Normandie. Pierre des Aubeaux kennen wir als Bildhauer des 16. Jahrhunderts, er stammt aus Rouen. In Fécamp hatte er seinen ersten großen Auftrag, weitere Werke in der Kathedrale Notre-Dame de Rouen (1512-1513, erneut 1519-1525) sollten folgen.
Auch bei dem Kunstwerk aus Fécamp handelt es sich um eine Darstellung der Maria Immaculata nach der Lauretanischen Litanei. Die Himmelspforte und die Gottesstadt befinden sich, wie in Des Fonts, jeweils zu den Füßen Mariens. Diese Anordnung war völlig neu, da man bislang die Symbole immer um die stehende Marienfigur angeordnet hatte, wie es der berühmte Druck von Thielman Kerver vormachte. Die Ausführung in Gisors ist spielerisch und detailverliebt gehalten, wie im Flamboyant-Stil jetzt üblich. So erkennt man an der Pforte (links) ein hölzernes Fallgitter oder bei der Gottesstadt (rechts) zahlreiche Fensterchen. Wie alle Symbole sind auch diese beiden mit lateinischen Namensbändern versehen, was eine eindeutige Zuordnung gewährleistet.

François-Marie-Alfred Blanquart: L’imagier Pierre des Aubeaux et les deux groupes du trépassement de la Vierge de Notre-Dame à Gisors et Fécamp, Caen 1891.
Léon de Vesly: Notice sur Pierre des Aubeaux, Paris 1901.
Jacques Baudoin: La sculpture flamboyante en Normandie et Ile-de-France, Nonette 1992.
Michel Hérold, Philippe Chéron, Thierry Leroy: Gisors, église paroissiale Saint-Gervais Saint-Protais, o.O. 1993.

Beitragsbild: Pierre Poschadel, Gisors (27), collégiale St-Gervais-et-St-Protais, 2e collatéral nord du chœur, chapelle de l’Assomption, haut-relief – litanies de la Vierge, CC BY-SA 4.0