Erhart Küng (geb. um 1420-1507): Hauptportal des Berner Münsters (um 1485)

Das spätgotische Hauptportal des Berner Münsters zeigt das Himmlische Jerusalem auf der linken Seite eines umfangreichen und vielgestaltigen Weltgerichts mit zahlreichen biblischen und historischen Heiligen, Engeln und Teufeln. Jerusalem wurde hier nicht als komplette Stadt dargestellt, sondern lediglich pars pro toto als Torszene, wenngleich auch künstlerisch aufwendig, vor allem wegen des in sich verschobenen Maßwerks. Dieses Maßwerk wurde wie eine königliche Krone geformt. Es ist dem Flamboyant-Stil anlehnt, der für jeden Steinmetz oder Schnitzer eine besondere Herausforderung darstellte. Das Material ist lokaler Berner Sandstein. Geschaffen wurde es vermutlich von dem Bildhauer Erhart (auch Erhard) Küng (geb. um 1420-1507) und bzw. oder seinen Gehilfen, um das Jahr 1485. In das Tor rettet sich ein Papst durch den Haupteingang, der durch seine machtvolle Tiara fast am Betreten gehindert wird. Diese Tiara setzt sich aus mehr als fünf einzelnen Kronen zusammen. Männlichen Klerikern aller Art folgen dem Papst; Engel helfen den Menschen zum Teil, in das Innere zu gelangen. Bemerkenswert ist, dass die Vertreter der Stände sich hier in eine geistliche Reihe rechts und eine weltliche Reihe links aufteilen – das ist kaum anderswo so zu finden. Auch ist es das vielleicht früheste Beispiel für einen Zugang in das Himmlische Jerusalem, der ein eigenes Wappen führt. Hier ist es eine Schwurhand. Diese gehört nicht zu einer lokalen Adelsfamilie, sondern es ist ein Verweis auf die Hand Gottes.

Für viele Jahre war das zweitürige Westportal mit seiner Vorhalle der Hauptzugang zum Münster. Während der Reformation entging der Figurenschmuck nur knapp dem reformiertem Bildersturm. Anschließend kam es immer wieder zu Restaurationen, vor allem auch Neubemalungen. Die letzte Neubemalung erfolgte 1913 bis 1914, die letzte Restaurierung datiert von 1964 bis 1991. Dabei wurden alle freistehenden Figuren wegen schwerer Umweltschäden in das Bernische Historische Museum gegeben und die Figuren am Portal durch Kopien ersetzt.

Alfred Zesiger: Das Jüngste Gericht am mittleren Hauptportal des Berner Münsters, Bern (1916).
Das Hauptportal des Berner Münsters, in: Der Mohr, 7, 1, 1980, S. 4-13.
Richard Grob: Das Hauptportal des Berner Münsters, Bern 1985.
Christoph Schläppi, Bernhard Furrer u.a.: Das Berner Münster, Bern 1993.

 

tags: Bern, Schweiz, Tympanon, Flamboyant, Weltgericht, Spätmittelalter
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