Weithin sichtbar steht das Wahrzeichen Herrenbergs, die evangelische Stiftskirche St. Marien, über den Fachwerkhäusern der historischen Altstadt auf einer Anhöhe. Auf der Turmempore sind heute drei Werke zeitgenössischer Künstler zu sehen, darunter dieses annähernd runde Glasbild von Anna-Dorothea Kunz-Saile (geb. 1941). In ihrem langjährigem Schaffen hat die Künstlerin vermutlich viermal das Neue Jerusalem in Glas dargestellt, hier das erste Mal. Hergestellt wurde das Glasfenster selbstverständlich in der Manufaktur V. Saile, die in Stuttgart ihren Sitz hat und sich im Besitz der Familie Saile befand.

Seit 1982 zeigt das gotische Maßwerk der Rosette den Besuchern das Himmlische Jerusalem. Vielleicht gab der historische Sechspass die Idee zu einer Verdoppelung mit zwölf roten Engelsfiguren, zwölf weißen Perlen und zwölf bunten Edelsteinen. Auch bei vielen anderen Kirchen Württembergs wurde dieser Ort nach 1945 ausgesucht für eine Glasmalerei des Neuen Jerusalem, etwa in der Stiftskirche Stuttgart oder in der Veitskirche Nehren. In Herrenberg wurden die Edelsteine auf einer annähernd runde Mauer in goldgelber Tönung aufgesetzt. Jeder Edelstein ist anders gestaltet: Es sind genau die zwölf verschiedenen Steine, die in der Johannesoffenbarung namentlich angeführt sind.
Von der Mauer aus erheben sich zwölf Türme mit jeweils einer weißen, runden Perle mit einem Engel als Wächter darüber. Hinter dieser Mauer findet man einen Blattfries, der sich ebenfalls um das gesamte Fenster zieht: Dieses soll den Lebensbaum darstellen. Die eigentliche Mitte des Fensters ist interessanterweise nicht mit einem religiösem Symbol besetzt, sondern die Künstlerin hat hier lediglich einen bauen Farbpunkt gesetzt.

Erich Haage: Die Stiftskirche zu Herrenberg und ihre entscheidende Botschaft heute, Herrenberg 1983.
Helmut Maier: Evangelische Stiftskirche Herrenberg: Kreis Böblingen, Württemberg, München 1985 (2).
Roman Janssen, Harald Müller-Baur (Hrsg.): Die Stiftskirche in Herrenberg 1293-1993. Herrenberg 1993.