Optische Panoramen waren eine Passion des späten Barock, gewissermaßen das Kino der damaligen Zeit, oder ein damaliges Wimmelbild. Sie dienten vor allem der Unterhaltung, weniger der Belehrung oder der Frömmigkeit. Auf dem kolorierten Kupferstich (40 x 26 Zentimeter) wird das Himmlische Jerusalem als Paradieslandschaft inszeniert. Bezüge zum zeitgenössischen Bühnenbild des Kulissentheaters sind unverkennbar.
Die symmetrischen Bauten erinnern an Logen, die Bewohner und Bewohnerinnen sind Zuschauer des endzeitlichen Spektakels. In der Mitte befindet sich der Zionsberg mit einem Lamm besetzt, wie man es seit Marten de Vos aus dem 16. Jahrhundert kennt. Dahinter erhebt sich eine graue Mauer mit einem klassizistischen Tor. Dieses Tor kann man weiter links und rechts noch deutlicher sehen, auf ihm steht ein goldener Wächterengel. Nicht vergessen werden soll die gewaltige Gloriole über der Stadt. Sie hat in der Mitte ein Dreieck, von dem sieben goldene Strahlen ausgehen. Es handelt sich um ein Trinitätssymbol, wir haben also ein Werk aus dem katholischem Umfeld vor uns.
Nach vorne fließt der Lebensfluss in einem Kanal, gesäumt von Beeten, in denen noch junge Bäume gepflanzt sind. Man fühlt sich in die Niederlande versetzt. Auch die barocken Statuen am linken und rechten Rand verweisen an den holländischen Schlossbau. Die deutsche Beschreibung zu dem Bild beginnt mit „Vierte Vorstellung nach der Offenbarung St. Johannis“. Es gab also vermutlich noch mindestens drei weitere Bilder zu dieser Serie. Der deutschen Beschreibung ist eine französische Übersetzung gegenüber gestellt. Über dem Bild ist der französische Titel in Spiegelschrift gesetzt – wir haben also einen Fehldruck vor uns, von dem nur wenige Exemplare existieren dürften. Entstanden ist die Arbeit in Augsburg, unter maßgeblichem Einfluss der dortigen Akademie, um 1760. Zu dieser Datierung hilft vor allem die ungewöhnliche Kolorierung in Violett und Türkis, eine Modeerscheinung dieser Zeit.